: Unsichere Existenz
HARTZ IV Wer arbeitslos ist und sanktioniert wird, bekommt nur mit Kindern auch automatisch Hilfe
Kinderlosen Hartz-IV-EmpfängerInnen, denen mindestens 30 Prozent der Gelder gestrichen wurden, will die Bagis auch weiterhin nicht automatisch Gutscheine für Lebensmittel oder Direktzahlungen für Strom an den Energieversorger bewilligen. Das geht aus einer Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Deren sozialpolitischer Sprecher Horst Frehe hält dieses Vorgehen für „unzureichend“. Zumal das Sozialgericht Bremen jüngst „unmissverständlich“ entschieden habe, dass die Bagis die Existenzgrundlage aller betroffenen ALG II-BezieherInnen zu sichern habe (S 22 AS 965/10 ER).
Insgesamt, auch das geht aus dem Papier des Senates hervor, wurden im Januar 2010 allein 772 sogenannten „Bedarfsgemeinschaften“ die Leistungen jedenfalls teilweise gekürzt, bei zehn Hilfebedürftigen wurden mehr als 400 Euro gestrichen. Wie viele Menschen davon überhaupt kein Geld mehr vom Amt bekamen, kann der Senat indes nicht sagen. 466 der 772 Betroffenen waren Singles, 87 alleinerziehend, 116 hatten Partner und auch Kinder, 66 zwar einen Partner, jedoch keine Kinder.
Auch die Frage, in welchem Zusammenhang der Grund und die Höhe einer Sanktion stehen, kann der Senat nicht beantworten. Es wird nicht erfasst. Im Januar dieses Jahres gab es laut Senat 352 neue Sanktionen. In rund der Hälfte der Fälle sind die Betroffenen zuvor Einladungen nicht gefolgt oder haben Termine versäumt, bei gut einem Viertel stellte das Amt eine „Verletzung der Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung“ fest, elf Prozent weigerten sich, eine vor der Bagis als „zumutbar“ eingestufte Arbeit zu machen. Immerhin: Das jemand ob der Kürzung wohnungslos wurde – dieser Fall sei bisher „nicht eingetreten“, so der Senat.
„Leistungsbeziehende dürfen auch im Sanktionsfall nicht verhungern oder ihre Wohnung verlieren“, sagt Frehe. „Die Menschenwürde muss gesichert werden.“ Das Problem, so der grüne Sozialrichter, sei jedoch nicht allein die bremische Hartz-IV-Behörde: „Die Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit reichen nicht aus“, so Frehe. mnz
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