: Die Industrie haftet nie
VERTEIDIGUNG Der Austausch von Spitzenpersonal reicht nicht: Wenn von der Leyen ihre Rüstungsprobleme lösen will, müssen auch die Hersteller Risiken übernehmen
EXPERTE OTFRIED NASSAUER
AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN
Eigentlich sollte der „Puma“ dieses Jahr einsatzbereit sein. 1.088 PS, der „stärkste Schützenpanzer der Welt“ (AutoBild). Es kommt anders: Der „Puma“ braucht noch ein Weilchen, bis er seinen Vorgänger ersetzt, den 40 Jahre alten „Marder“. Offenbar ist die Nachtsichtkamera so schlecht, dass man mit dem „Puma“ bei Dunkelheit nicht schnell genug rückwärts fahren kann.
Eine teure Panne, eine von mehreren. Denn der „Puma“ kostete 6,5 Millionen Euro pro Stück – das aber war der Preis 2004, beim Abschluss des Vertrags mit den Herstellern Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Inzwischen, so räumte das Verteidigungsministerium jüngst auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Alexander Neu ein, steht der Preis bei 9,9 Millionen Euro pro Stück. Das Problem mit der Nachtsicht war also bei Weitem nicht das einzige.
Die Folgen aber trägt der Staat allein: Er darf die Mehrkosten zahlen – komplett. Auch wenn die Hersteller an der Verspätung schuld sind, müssen sie dafür nicht haften, schreibt das Ministerium zum „Puma“: „Vertragsstrafen sind im Beschaffungsvertrag nicht vereinbart, da sie […] aufgrund der Monopolstellung des Auftragnehmers nicht durchsetzbar waren.“
Staatssekretär gefeuert
Damit liefert das Haus von Ursula von der Leyen (CDU) selbst einen Hinweis, dass es mit dem Austausch von Spitzenpersonal nicht getan ist, wenn die Ministerin das Elend der Rüstungsbeschaffung in den Griff bekommen will. Vergangene Woche setzte von der Leyen unter anderem ihren Staatssekretär Stéphane Beemelmans vor die Tür. Er hatte ihr nicht erklären können, warum Hubschrauber, Fregatten oder Panzer für die Bundeswehr immer viel teurer werden und viel später kommen als geplant.
„Das Kernproblem sind immer die Verträge“, sagt Katja Keul, die 2013 für die Grünen im Untersuchungsausschuss zur vorläufig gescheiterten „Euro Hawk“-Drohne saß. Die Auswechslung des Personals sei insofern „nicht ganz unerheblich“, erklärt die Juristin, „schließlich waren die Verhandler bislang völlig industriehörig“. Die Verträge zum „Euro Hawk“ etwa habe die Rechtsabteilung des Ministeriums „nie in den Händen gehalten“. Offensichtlich habe dort niemand ein Interesse daran gehabt, der Industrie Gewährleistungspflichten aufzulegen. Jede Kostensteigerung wurde an den Steuerzahler weitergereicht.
Dieses Problem vervielfacht sich sofort, wenn auch internationale Partner im Boot sind. Hilmar Linnenkamp und Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schrieben jüngst im Handelsblatt, dass die größten Projekte eines gemeinsam haben: „Sie fußen auf internationalen Absprachen.“
Wer hier Stückzahlen reduzieren oder Korrekturen vornehmen wolle, müsse sich daher auf die Industriepolitik der Partner einlassen. Das gelte umso mehr, wenn man, wie von der Leyen, noch stärker auf europäische Kooperation setzt. Die Thinktanker schlagen vor: In das zur Kontrolle geschaffene Rüstungsboard im Verteidigungsministerium müssten Experten aus anderen Ministerien, aber auch Externe.
Von der Leyen hat bereits angekündigt, Sachverstand von außen hereinzuholen. Es macht die Sache aber nicht einfacher, dass bei Verträgen mit anderen Nationen bislang gilt: Wer aussteigt oder die Stückzahl der Aufträge reduziert, muss dafür sorgen, dass die Kosten der Partner nicht wachsen. „De facto“, sagt der Rüstungsexperte Otfried Nassauer, „läuft das darauf hinaus, dass ein Ausstieg aus Großprojekten teurer ist als drinzubleiben“. Der grüne Haushälter Tobias Lindner schätzt die Risiken der 15 laufenden deutschen Großprojekte auf drei Milliarden Euro.
Das Ministerium möchte dazu – bei aller neuer Liebe zur Transparenz – keine Zahl liefern. Dabei hätte es etwa beim „Puma“ den Bundesrechnungshof auf seiner Seite. In dessen Regeln für den Rüstungsbereich heißt es: „Wichtig: Garantie- und Haftungsverpflichtungen der Auftragnehmer im Vertrag vorsehen“.
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