Wert von Wahlumfragen: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten
Nachher waren sie alle kleinlaut. Als die Demoskopen sich beim Ergebnis der Bundestagswahl im vergangenen Jahr grob verschätzten, mussten sie ihr Haupt senken. Nach einem halben Jahrhundert Demoskopie hatten sie das Wahlergebnis falsch getippt. Forsa-Chef Manfred Güllner urteilte im Nachhinein selbstkritisch: „Unser Handwerkszeug werden wir gar nicht ändern. Das ist seit Jahren ausgereift. Die Interpretation ist das Entscheidende.“ Diese Einsicht passt auch auf den derzeitigen Abgeordnetenhauswahlkampf.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Medien brauchen knackige Schlagzeilen. Die liefern ihnen Demoskopen in Form ihrer Umfrageergebnisse. Genauer gesagt: in deren Interpretationen. Doch die Wählerentscheidungen werden immer unvorhersehbarer. Das hat bislang kaum Folgen für das Verhalten der professionellen Meinungsmacher. Auf der Suche nach Eindeutigem können sie ein „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ nicht brauchen. Dennoch suggerieren ihre Prozentzahlen eine Genauigkeit, die es nicht gibt.
Vor wenigen Wochen präsentierte der WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn in den „Tagesthemen“ die neuesten Umfrageergebnisse für die Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Oder besser: Er präsentierte sie nicht. Das Wählerverhalten sei zu unvorhersehbar, sagte Schönenborn ungerührt, die Aussagekraft der Antworten auf die Frage „Wen würden Sie wählen, wenn …?“ zu gering.
Das war ein vielleicht etwas selbstherrlicher Schritt des TV-Angestellten gegenüber seinen Finanziers, den Gebührenzahlern. Aber darin liegt auch ein souveränes, zu selten gehörtes Eingeständnis: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …“
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