piwik no script img

„Die PDS wird deutlich verlieren“

Der Wahlforscher Matthias Moehl über die Chancen der Grünen, ein Direktmandat im Osten zu holen. Zuwächse gibt es aber nicht nur bei den Grünen, sondern auch bei der SPD. In einigen Bezirken könnte die NPD in die BVV kommen

taz: Herr Moehl, die Grünen wollen erstmals auch bei einer Abgeordnetenhauswahl ein Direktmandat im Ostteil der Stadt holen. Wie groß sind die Chancen?

Matthias Moehl: Bei den Wahlkreisen in Prenzlauer Berg, die da in Frage kommen, haben wir die Prognose veröffentlicht, dass wahrscheinlich die SPD die Direktmandate holen wird.

Im Wahlkreis 8 in Prenzlauer Berg lag die grüne Direktkandidatin Jeannette Martins schon 2001 bei 21,9 Prozent. Der jetzige Kandidat Volker Ratzmann ist noch bekannter.

Im Vergleich zu 2001 werden die Grünen auch zulegen. Bei den Zweitstimmen im Ostteil der Stadt um 5 Prozentpunkte, vielleicht etwas mehr. Wir vermuten, dass auch Volker Ratzmann deutlich zulegen kann. Auf der anderen Seite ist der aber durch die Landesliste abgesichert. Das war bei Hans-Christian Ströbele anders, als er 2002 das erste grüne Direktmandat im Bundestag holte.

Wie stark wird die PDS sein, die in Ratzmanns Wahlkreis bei der letzten Abgeordnetenhauswahl im Oktober 2001 das Direktmandat holte?

Der PDS-Kandidat Bernd Holtfreter hat damals 36,7 Prozent der Erststimmen bekommen. Das waren aber weniger als die 47,6 Prozent, die die PDS unter Gregor Gysi in Ostberlin insgesamt einfuhr. Wir nennen das immer die „Friedenswahl“, bei der im Zusammenhang mit dem Afghanistankrieg auch viele SPD-Anhänger ihre Zweitstimme an die PDS gaben. Außerdem war die PDS damals noch nicht Regierungspartei. Das sieht heute anders aus.

Wie?

Die Linkspartei/PDS wird in Ostberlin deutlich verlieren. Wir prognostizieren sie bei derzeit 30 Prozent. Das wären 17,6 Prozentpunkte Verlust. Allerdings wird sich der Verlust bei den Direktkandidaten nicht so stark bemerkbar machen. Wir glauben deshalb, dass die Kandidatin der Linkspartei im Wahlkreis Pankow 8 etwa ähnlich abschneiden könnte wie Volker Ratzmann.

Das heißt, der Gewinner ist die SPD.

Nicht nur bei den Erststimmen, sondern auch bei den Zweitstimmen. Da wird die SPD deutlich über 30 Prozent sein.

Die letzten Umfragen sahen die CDU im Osten am Abstürzen und sogar noch hinter den Grünen.

Da sind wir vorsichtiger. Keine Frage, die Grünen werden im Osten zulegen, wobei es größere Zuwächse aber vor allem in Prenzlauer Berg und Friedrichshain geben wird. Wir sehen die CDU nach wie vor vor den Grünen.

Zuwächse versprechen sich inzwischen auch die Rechtsradikalen.

Da hat sich auch in Berlin eine Stammwählerschaft etabliert. Rechnet man „Republikaner“ und NPD zusammen, beträgt diese in Bezirken wie Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf zwischen 3 und 4 Prozent, wie übrigens auch die Bundestagswahl zeigte. Da beide Parteien in der Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen nicht gegeneinander antreten, müssen wir damit rechnen, dass sie auch in diese beiden Bezirksparlamente einziehen können.

INTERVIEW: UWE RADA

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen