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Im GlaubenskriegKOMMENTAR VON DANIEL BAX

Der Ablauf erinnert fatal an den „Karikaturenstreit“ vor neun Monaten. Waren es damals ein paar Cartoons des Propheten Mohammed, die in vielen muslimischen Ländern zu demonstrativer Entrüstung führten, so sind es diesmal ein paar missverständliche Sätze des Papstes über den Islam, die den gleichen Reflex provozieren.

Dabei melden sich wieder die üblichen Verdächtigen zu Wort: Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), die schon im Karikaturenstreit eine unrühmliche Rolle spielte und jetzt dem Papst nichts weniger als eine gezielte „Verleumdungskampagne“ vorwirft. Die Muslimbruderschaft in Ägypten, die einmal mehr die Chance wittert, sich in die Pose der Verteidiger des rechten Glaubens zu werfen. Die Politiker im pakistanischen Parlament, die sich opportunistisch dem Druck radikaler Abgeordneter beugen und eine Entschuldigung fordern: kurz, die ganze Palette des beleidigten Irrsinns.

All diese Kräfte gießen nur neues Öl ins Feuer, um darauf ihr eigenes Süppchen zu kochen. Dabei muss man natürlich differenzieren. Dass sich einzelne muslimische Verbände in Europa über die unglückliche Papst-Rede irritiert zeigen und nach einer „Klarstellung“ verlangen, ist angesichts der streitbaren Aussagen durchaus verständlich. Doch all die reflexhaften Forderungen nach einer sofortigen „Entschuldigung“ sind überzogen und dienen allein der Eskalation.

Wie sehr die Erregung innenpolitischen Motiven geschuldet ist, sieht man am Beispiel der Türkei. Ende November soll der Papst auf Einladung des türkischen Staatspräsidenten an den Bosporus reisen. An dieser Frage hatte sich schon zuvor der lange schwelende Konflikt zwischen säkularem Establishment und religiöser Regierungspartei entzündet. Der Chef der türkischen Religionsbehörde gehörte zu den Ersten, die sich über die Papst-Worte empörten. Inzwischen rudert er, auf Druck von oben, merklich zurück.

Besser wäre jedoch, wenn besonnene Stimmen jetzt laut und deutlich zu einer Mäßigung aufriefen – bevor irgendwelche glaubenseifrigen Hooligans wieder das Heft in die Hand nehmen und das Bild vom „gewalttätigen Islam“ bestätigen, das der Papst mit seinen Andeutungen beschworen hat.

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