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Am Puls des Bürgers

Vom Augustinum zu Desy. Drei Stationen in sechs Stunden: Auf Wahlkampftournee mit Mathias Petersen, dem Bürgermeisterkandidaten der Hamburger SPD, in seiner Altonaer Heimat

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Im Altonaer Kinderkrankenhaus fühlt er sich wohl. Das ist ein Selbstgänger für Mathias Petersen, den Allgemeinmediziner mit Praxis in der Max-Brauer-Allee, der Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg werden möchte. Hier fühlt er sich sicher im Gespräch mit der Klinikleitung, hier kann er gezielt nachfragen, hier kann er mit seiner medizinischen Sachkenntnis punkten.

Über ihre Sorgen berichten sie ihm, der Chefarzt und die Geschäftsführerin, Sorgen mit den Finanzen, mit der Ausstattung, mit der Gesundheitsreform, und Petersen, der sozialdemokratische Gesundheitspolitiker in der Bürgerschaft, nickt oft und zustimmend. „Ein bisschen Rückenwind in der Hamburger Politik kann nicht schaden“, fordert einer der anwesenden Ärzte Petersen auf. „Den“, sichert dieser zu, „können Sie haben.“

Mathias Petersen hat den Wahlkampf begonnen. In 18 Monaten wird in Hamburg gewählt, erstmals in Wahlkreisen, 17 an der Zahl. Jeden will der 51-Jährige bis dahin zwei Mal besucht haben.

Seine Tournee begann er gestern in Altona, drei Stationen in sechs Stunden. „Ich will mich informieren über das, was die Menschen wirklich bewegt“, versichert Petersen. Und natürlich seinen Bekanntheitsgrad steigern, denn mit dem steht es nicht zum Besten.

Nur jeder sechste Hamburger kennt ihn, hat eine Umfrage ergeben, die SPD liegt in der Wählergunst unter 30 Prozent. Zu wenig gegen CDU-Bürgermeister Ole von Beust, zu wenig für den Herausforderer von der SPD. Offiziell wird Petersen erst am 12. Januar 2007 von seiner Partei zum Spitzenkandidaten gewählt werden, aber um Stimmen und Sympathien in der Bevölkerung wirbt er schon jetzt.

Auch am späten Nachmittag im Augustinum, der hochpreisigen Seniorenresidenz in Neumühlen. Von Tisch zu Tisch geht er im Kuppelrestaurant im zwölften Stock mit dem sonnigen Ausblick über Elbe, Kais und Container. Spricht mit den älteren Mitbürgern, die sich hier eingemietet haben. Unter vier Ohren zumeist – denn nicht jeder will die Befürchtungen, die er dem Möchtegern-Bürgermeister anvertraut hat, am nächsten Morgen in der Zeitung lesen. Und auch Petersen wahrt die Schweigepflicht nach einem guten halben Dutzend Gesprächen.

Aber „zufrieden“ sei er, sagt Petersen, und dass es wichtig sei für Politiker, „sich aus erster Hand über Sorgen und Nöte zu informieren“. Und gerne auch die eine oder andere davon zu beseitigen, „aber dafür müsse man eben Mehrheiten haben“. Um die zu erreichen, ist Petersen auf Tournee.

Auch bei Desy, dieser physikalischen Hochleistungseinrichtung in Bahrenfeld, von der kaum jemand so genau weiß, was dort alles gemacht wird.

Institutschef Albrecht Wagner versucht es zu erklären, das mit dem Beschleunigen von Teilchen und Molekülen, und wozu das gut sei. „Aber sie als Mediziner haben ja“, sagt Wagner zu Petersen, „eine gewisse naturwissenschaftliche Vorbildung.“ Der Kandidat nickt, und schon geht es um die Frage, ob Forschungen bei Desy in absehbarer Zeit zur Heilung von Alzheimer beitragen könnten. In der Medizin kennt Petersen sich eben deutlich besser aus als in der Quantenphysik.

Er hört viel zu an diesem Nachmittag, den Ärzten, den Forschern, den älteren Mitbürgern. Fleißig notiert er, er wirkt ruhig und entspannt, und er versucht, Vertrauen aufzubauen. Hölzernes Auftreten ist ihm in der Vergangenheit häufig attestiert worden, auch aus der eigenen Partei. Die Zweifel sind zahlreich, dass er dem Strahlemann von Beust ebenbürtig sein könne. Petersen aber will es versuchen.

Die Antwort, ob es ihm gelingt, geben Anfang 2008 die Wähler. Seine Frage an Desy-Chef Wagner, was denn „vor dem Urknall war“, wird hingegen sehr viel später, wenn überhaupt, beantwortet werden. „Das“, sagt Wagner, „das wüsste ich auch gern.“

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