: 60-mal schneller
Der Klimawandel kommt, da ist sich die Forschung inzwischen einig. Die entscheidenden Fragen bleiben: wie schnell, wie stark? Nach den neuesten Berechnungen des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) liegt die sogenannte Klimaempfindlichkeit der Erde bei drei Grad Celsius: Um so viel erwärmt sich das Erdklima im Schnitt, wenn sich die Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre verdoppelt. Ihre Computermodelle haben die PIK-Wissenschaftler am Temperaturverlauf der vergangenen Eiszeit erfolgreich getestet und im August veröffentlicht. Zum Vergleich: Mit einer gewissen Anstrengung ließe sich die Konzentration an Kohlendioxid bei dieser Verdopplung gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter stoppen. Das wären dann drei Grad mehr.
Wenn die Klimapolitik so langsam weitergeht wie bisher, kann es auch auf weitere drei Grad Erhöhung hinauslaufen. Dann wäre die Erde laut PIK-Leiter Hans-Joachim Schellnhuber am Ende des Jahrhunderts eisfrei, der Meeresspiegel deutlich höher als derzeit. Allein das derzeit schon schmelzende Grönlandeis wird die See um etwa sieben Meter heben. (www.germanwatch.org/rio/hjsint06.pdf)
Was die Wissenschaftler am meisten beunruhigt, sind immer neue Funde sich selbst verstärkender Klimaeffekte. So werden die Treibhausgase CO2 und Lachgas (N2O) vermehrt von Bodenbakterien produziert, je wärmer es ist. Und der Permafrostboden Russlands und Kanadas speichert große Mengen des potenten Treibhausgases Methan. Es gast aus, sobald die Null-Grad-Grenze überschritten wird, und erwärmt so die Atmosphäre immer weiter.
Ein bestimmender Faktor ist allerdings noch wenig erkundet: die Ozeane. Sie binden große Mengen von Kohlendioxid – allerdings immer weniger, je wärmer es ist. Außerdem macht sie die zunehmende Anreicherung mit CO2 chemisch immer saurer – was das tierische und pflanzliche Leben in den Meeren beeinträchtigt.
Dass es sich bei all dem nicht um haltlose Spekulationen handelt, zeigt die Erdgeschichte. So wurden die letzten Proben der großen europäischen Antarktis-Bohrung in diesem Sommer ausgewertet (www.concordiastation.org). Sie grub sich in bis zu 800.000 Jahre altes Eis und untersuchte die darin konservierten Luftbläschen. Ihr Fazit: Es gab immer wieder abrupte Klimawechsel in Folge eines Anstiegs der Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Und der derzeitige Anstieg des Kohlendioxids läuft fast 60-mal schneller ab als der schnellste je in der 800.000-jährigen Eissäule gemessene Anstieg des Treibhausgases.
Paul Hunter, Professor für Gesundheitsschutz der britischen University of East Anglia, spricht auch von neuen Krankheiten, die bereits heute aus den Subtropen in unsere Breiten wandern. Weitaus stärker dürften jedoch ärmere Länder betroffen sein. Dort gebe es neue Verteilungen von Schädlingen, so Hunter. Er rechnet etwa mit Millionen von neuen Malaria-Fällen und einer weiteren Verbreitung von ansteckenden Krankheiten wie Tuberkulose oder Aids durch die Wanderung von Klimaflüchtlingen.
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