: Architektur des Abbruchs
Baukultur ist das diesjährige Thema von Kulturland Brandenburg. Auf einer Tagung ging es dabei um Schrumpfung und eine neue Art von Politik. Und was die NPD mit zugezogenen Städtern gemein hat
von UWE RADA
Ist Baukultur angesichts schrumpfender Städte und Regionen ein Luxusthema? Nein, meint der Stadtplaner Dieter Hoffmann-Axthelm und verweist auf das Beispiel Perleberg. Dort sind, teils gegen den Willen der Bewohner, moderne Architekturen entstanden, deren Qualität unbestritten ist. „Diese Differenz zeigt, dass auch in solchen Städten mehr möglich ist als das, was man kennt.“
Aufbrüche wie diese waren allerdings die Ausnahme bei der Zwischenbilanz, die sich Kulturland Brandenburg am Tag der deutschen Einheit in Baruth gönnte. Vielmehr stand die Baukultur, das übergreifende Thema der Kulturlandaktivitäten 2006, ganz im Zeichen der beiden anderen Stichworte der Tagung – Abbruch und Umbruch. Der Architekturkritiker Wolfgang Kil sprach gar von einem „Epochenbruch“, der sich in den entleerenden Räumen der Prignitz oder der Uckermark zeige.
Dass Baukultur kein Allheilmittel ist, mit dem sich Städte und Regionen gegen den demografischen Wandel wappnen können, war schon im Begleitband zum diesjährigen Kulturlandthema nachzulesen. Zwar plädierte der Weimarer Kulturwissenschaftler Wolfgang Bock dafür, dem Beispiel der Cottbuser Universitätsbibliothek nachzueifern. Mit der Architektur des Baseler Büros Herzog/de Meuron hatte die Stadt viel Aufmerksamkeit erregt. Der weitaus größere Teil der Beiträge beschäftigte sich aber weniger mit Aufbau als mit Verlust. Selbst die Brandenburger Dorfkirchen stehen bereits vor Verfall und Abriss.
Was aber, wenn es am Ende der Schrumpfung nicht einmal mehr Kirchtürme gibt? Was bleibt dann, außer dem „zirkulierenden Testosteron“, das der FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher nach dem Erfolg der NPD in Vorpommern als Folge der Abwanderung vor allem junger Frauen ausgemacht hat?
Eine Antwort auf diese Fragen lautet seit geraumer Zeit: der Raumpionier. Jener Enthusiast also, der aus der Stadt aufs Land zieht und die leer gelaufenen Räume wieder mit Leben füllt. Aber auch da stellen sich neue Fragen. „Ist nicht auch Udo Pasteurs, der Spitzenkandidat der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, ein Raumpionier?“, fragte der Landschaftsplaner Thies Schröder auf der Baruther Tagung. Keiner widersprach.
Einigkeit herrschte auch darüber, dass die Neuausrichtung der brandenburgischen Förderpolitik auf die „Wachstumskerne“ bislang keine Antwort darauf brachte, was mit jenen Regio- nen geschehen soll, die nicht zu den sogenannten Leuchttürmen gehören. Die Niederlausitz, neben der Prignitz und der Uckermark die dritte Schrumpfungsregion Brandenburgs, hat es da vergleichsweise gut, meinte Brigitte Scholz von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land. „Mit ihren Projekten hat es die IBA geschafft, ein neues Landschaftsbild für die Lausitz zu formulieren.“ Doch Scholz räumte auch ein: „Solche Ausgangsbedingungen, wie wir sie haben, sind die Ausnahme.“
Gleichwohl sind IBA wie auch Kulturland Brandenburg Beispiele dafür, wie parallel zur Landesregierung die Zukunftsthemen bearbeitet werden. „Doch das alleine reicht nicht“, gab Schröder zu bedenken. „Wir müssen auch darüber nachdenken, ob in den peripheren Regionen die gleichen Regeln und Gesetze gelten müssen wie in den Wachstumskernen.“ Schließlich gebe es ja auch für die Wirtschaft in Ostdeutschland immer mehr Öffnungsklauseln.
Auf dem Platz vor dem Baruther Rathaus kann man bereits sehen, welche Architektur die Schrumpfung hervorbringen kann: Ein neu gebauter Steg über einen Graben kommt ohne Geländer aus. An die deutsche Regelungswut erinnert nur noch ein Schild: „Für Rollstühle und Fahrräder ungeeignet“.
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