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Aufstand der Abgehängten

Gewerkschaften, Studierende und Globalisierungskritiker rufen zum Prostest gegen Sozialabbau. Organisatoren rechnen mit 80.000 Demonstranten am Samstag vor dem Brandenburger Tor

von MARKUS WANZECK

Plötzlich sind die Gewerkschaften topaktuell. Kaum diskutiert die Republik über eine wachsende Unterschicht und abgehängtes Prekariat, schon kündigt der DGB eine Großdemonstration für eine sozialverträgliche Reformpolitik und mehr soziale Gerechtigkeit an. 10.000 Menschen sollen am Samstag zur Demonstration ans Rote Rathaus kommen, verkündete gestern Dieter Pienkny, Sprecher des DGB-Berlin-Brandenburg. Zur Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor erwarten die Organisatoren gar 80.000 Demonstranten.

Der Protest unter dem Motto „Das geht besser. Aber nicht von allein!“ ist Teil eines bundesweiten Aktionstages für soziale Reformen, der vom DGB initiiert wird. Neben der Großveranstaltung in Berlin wird es Kundgebungen in Frankfurt/Main, Dortmund, München und Stuttgart geben. Geplant waren die Demonstrationen aber schon lange vor der Debatte um die Unterschicht.

Zentrale Forderungen des DGB sind die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne und die Aufgabe der Pläne zur Heraufsetzung des Rentenalters. „Die Rente mit 67 ist eine der größten Mogelpackungen“, sagte Gabi Lips von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Zudem soll der Warnung vor einer „Zwei-Klassen-Medizin“, die sich mit der geplanten Gesundheitsreform der großen Koalition abzeichne, Nachdruck verliehen werden.

Die Organisatoren gehen davon aus, mit ihrem Anliegen eine große Zahl an Menschen ansprechen und mobilisieren zu können. Und dies nicht allein aufgrund der jüngst entflammten Unterschichten-Debatte, die die Aufmerksamkeit der Menschen auf gesellschaftliche Problembereiche gelenkt hat.

Auch eine organisatorische Neuerung soll zu der erwarteten großflächigen Mobilisierung beitragen. Der Gewerkschaftsbund konnte eine breite Basis an Mitorganisatoren und Unterstützern für die Veranstaltung gewinnen. Die Demonstration, die zusätzlich zu der Kundgebung stattfindet, wird von einer Vielzahl an nichtgewerkschaftlichen und außerparlamentarischen Gruppen unterstützt. Das Bündnis Montagsdemo ruft genauso zur Teilnahme auf wie das Berliner Bündnis gegen Studiengebühren oder die Globalisierungskritiker von Attac.

Alle teilnehmenden Gruppen haben ein Anliegen, erklärte Rainer Wahls, Sprecher der Demo-Vorbereitungsgruppe: „Die Gesellschaft ist der Politik nicht ausgeliefert – das wollen wir zeigen.“ Die Demonstration und die Kundgebung seien keineswegs bloß gegen Hartz IV gerichtet, betonte Wahls. Vielmehr gehe es darum, ganz allgemein ein Zeichen zu setzen gegen eine „Politik der Verarmung“.

Auch Roland Klautke, Politikwissenschaftler und Attac-Mitglied, sieht in dem neu geschmiedeten Bündnis von Gewerkschaften, Bürger- und Sozialbewegungen einen Schritt in die richtige Richtung. Soziale Bewegungen und Gewerkschaften könnten sich nicht wechselseitig ersetzen, so Klautke. Breite gesellschaftliche Kooperation und Solidarität, wie sie in der Vorbereitung des kommenden Protest-Samstags erkennbar ist, hält er für überfällig – und in einer Zeit, in der vonseiten der Politik gern auf die Sachzwänge der Globalisierung gepocht wird, für alternativlos.

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