: Anti-Terror erobert den Campus
Der Bundesinnenminister plant eine stärkere Kontrolle von ausländischen Studierenden. NRW-Unis und Grüne halten das Anti-Terror-Projekt für falsch: Es schrecke neue Interessenten ab
VON NATALIE WIESMANN
Der Kampf gegen den Terror erreicht die Universitäten. Als Reaktion auf die versuchten Kofferbomben-Attentate zweier libanesischer Studenten im Regionalexpress von Koblenz nach Dortmund will Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausländische Studierende künftig genauer kontrollieren. Dazu will er das Zuwanderungsgesetz verschärfen. Hochschulexperten aus NRW warnen vor einer solchen Reform. „Das wird einige vor einem Studium in Deutschland abschrecken“, sagt etwa Gisela Moser, Leiterin des Akademischen Auslandsamtes an der Fachhochschule Dortmund.
Ein konkreter Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor. Laut Welt und Spiegel plant Schäuble, alle Studierenden aus Nicht-EU-Ländern sowie ihre Bürgen vor einer Visum-Vergabe gründlich zu überprüfen. Ausländerbehörden sollen den Studierenden in Zukunft nur noch für ein Jahr statt bisher für zwei Jahre eine Aufenthaltsberechtigung erteilen. Außerdem sollen sie auf „Ungereimtheiten“ in den Lebensläufen von Studierenden achten, die bereits in Deutschland leben.
„Die Bedingungen für ein Ausländerstudium sind heute schon sehr hart“, sagt Moser. Die geplanten Sicherheitskontrollen von Schäuble bedeuteten einen „riesigen bürokratischen Aufwand“ und seien „völlig überzogen“. „Wir wollen nicht der verlängerte Arm der Ausländerbehörden sein“, stellt Moser klar. Weil die zwei Kofferbombenleger zufällig aus dem studentischen Milieu stammten, dürften nicht alle Studierenden ausländischer Herkunft unter Generalverdacht gestellt werden. „Das passt nicht zum Ziel, das Ausländerstudium attraktiver zu machen.“
Tatsächlich konterkarieren die Pläne Schäubles die erfolgreichen Bemühungen der nordrhein-westfälischen Hochschulen, mehr ausländische Studierende nach Deutschland zu locken. Wie jetzt bekannt wurde, werden die Ruhruniversität Bochum und die Universität Bonn für ihre Konzepte zur besseren Betreuung von ausländischen Studierenden ausgezeichnet. Beim bundesweiten „Wettbewerb für weltoffene Universitäten“, der von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und der Telekom-Stiftung initiiert wurde, hatten sich 32 Universitäten beworben. Zwei von den drei vergebenen Auszeichnungen gingen an Nordrhein-Westfalen.
Für Ruth Seidl, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen im NRW-Landtag, sind die angekündigten Gesetzesveränderungen „unsäglich“ und schaden dem Ruf der NRW-Universitäten. „Unsere Weltoffenheit geht so verloren“, befürchtet sie. Außerdem sei es bei begründetem Verdacht schon heute möglich, ausländische Studierende und ihre Bürgen gründlicher zu überprüfen. Für das Landeskriminalamt und das NRW-Innenministerium sind die Vorschläge Schäubles noch nicht ausgereift genug, um sie zu kommentieren. Erst die Praxis werde zeigen, ob sie zur Bekämpfung von Terrorismus sinnvoll sind.
Das erhöhte Sicherheitsbedürfnis kann Yasser Abdelrehim verstehen. Der Vertreter der ausländischen Studierenden an der Uni Münster hält die Vorschläge von Schäuble aber für ausgrenzend: „Das Bild wird verstärkt, wir seien alle potenzielle Terroristen“ (siehe Interview).
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