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Neuauflage des Wirtschaftskrimis

Ab heute rollt das Düsseldorfer Landgericht den Mannesmann-Prozess neu auf. Durfte der Aufsichtsrat den erfolglosen Mannesmann-Vorstand mit dem Geld der Aktionäre belohnen? Im Zentrum: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann

von HERMANNUS PFEIFFER und BEATE WILLMS

Das Interesse konzentriert sich auf Josef Ackermann. Für den Deutsche-Bank-Chef geht es ums Ganze, wenn der Mannesmann-Prozess ab heute im Düsseldorfer Landgericht seine Neuauflage erlebt. Die Anklage wirft ihm und fünf weiteren Beschuldigten „Untreue in einem besonders schweren Fall“ vor. Nachdem der Bundesgerichtshof die Freisprüche des ersten Verfahrens vor zehn Monaten aufgehoben hat, ist nun wieder alles möglich: vom erneuten Freispruch bis zu mehrjährigen Gefängnisstrafen.

Als Mitglieder des Aufsichtsrats der Mannesmann AG hatten Ackermann und die Mitangeklagten, zu denen auch der frühere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und der Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser gehören, vor sechs Jahren Prämien in Höhe von gut 24 Millionen und Abfindungen von weiteren 32 Millionen Euro für Esser und andere Topleute des Konzerns beschlossen. Diese hatten damals vehement dagegen gekämpft, dass der britische Konkurrent Vodafone Mannesmann übernahm – und waren gescheitert.

„Eine außergewöhnliche Anerkennung für eine außergewöhnliche Leistung“ nannte Ackermann die Zahlungen im ersten Prozess und überzeugte damit die Düsseldorfer Richter. Die Richter am Bundesgerichtshof erklärten dagegen, es sei „schlechterdings nicht vorstellbar, dass sich Ackermann und Zwickel für berechtigt gehalten haben könnten, in Millionenhöhe willkürlich über das ihnen anvertraute Gesellschaftsvermögen zu verfügen“.

26 Verhandlungstage hat das Landgericht nun bis Mitte Februar angesetzt. Die Öffentlichkeit interessiert dabei vor allem, wie Spitzenmanager mit fremdem Aktionärsvermögen umspringen und wie hoch Managergehälter überhaupt sein dürfen.

Dabei ist das gesellschaftliche Klima heute ein anderes als zum Zeitpunkt des Coups. Als Esser am 4. Februar 2000 kapitulierte, befand sich die globale Börsenbegeisterung auf dem Höhepunkt. Sie wurde angetrieben von Begeisterung über einen andauernden Wirtschaftsboom in den USA, einer Börsenhysterie unter Profis wie Amateuren und einem naiven Glauben an eine „Neue Ökonomie“ aus Internet und Telekommunikation. Zudem hatte sich in vielen Konzernspitzen eine Selbstbedienungsmentalität breitgemacht, innerhalb der Aufsichtsräte herrschte ein reges Geben und Nehmen.

Aus dieser Sicht hatte auch die Übernahmeschlacht um Mannesmann ihre Gewinner: den Hongkonger Aktionär Li Ka Shing etwa, dessen Mannesmann-Anteile sagenhafte 5 Milliarden Euro an Wert gewannen. Für ihn womöglich ein guter Grund, Mannesmann-Boss Esser ein dickes Dankeschön zukommen zu lassen. Schließlich hatte der mit seinem zunächst hartnäckigen Widerstand gegen den Mobilfunkriesen und der dann ebenso plötzlichen Aufgabe erst für die Kurssprünge gesorgt.

Typisch für die damalige Zeit ist auch, dass es Mannesmann traf, eines der prominentesten Mitglieder der früheren deutschen Schwerindustrie. Schon 1890 lieferte Mannesmann erstmals nahtlose Rohre in die weite Welt. Fast ein Jahrhundert später folgte das legendäre Erdgas-Röhren-Geschäft mit der Sowjetunion, auf dem die deutsche Energieversorgung immer noch basiert. 1999, als Vodafone zum Angriff überging, war der Stahlkonzern längst zum Telefonanbieter mutiert, den sich die Briten dann den Rekordpreis von umgerechnet fast 190 Milliarden Euro kosten ließen.

Für Ackermann allerdings scheint sich seitdem wenig geändert zu haben. Vorsichtiger geworden ist er bei der Belohnung von eher erfolglosen Vorständen nicht. Erst im September stimmte er im Siemens-Aufsichtsrat der später zurückgenommenen 30-prozentigen Gehaltserhöhung für den Vorstand zu.

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