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Biowärme für ein ganzes Dorf

Im badischen Mauenheim beziehen die 400 Einwohner Wärme zu einem Preis, der günstiger ist als der aller fossilen Energieträger. Biogasanlagen im Dorf machen es möglich, eine autarke Nahwärmeversorgung aufzubauen

VON BERNWARD JANZING

Energiewende für ein ganzes Dorf: Im badischen Mauenheim haben zwei Drittel der rund 100 Haushalte in diesem Sommer ihre Ölheizungen rausgeschmissen. Denn ab sofort beziehen die Bewohner des Immendinger Stadtteils deutlich billigere Energie: Per Nahwärmenetz bekommen sie die Abwärme einer landwirtschaftlichen Biogasanlage in ihre Häuser geliefert – Energie, die zuvor nutzlos in die Umwelt entwich. „Bioenergiedorf“ nennt sich Mauenheim daher.

Am Anfang des Projekts standen zwei örtliche Landwirte. Sie hatten bereits im vergangenen Jahr eine große Biogasanlage errichtet, die am Tag zehn Tonnen Mais, eine Tonne Gras und vier Tonnen Mist zu Methan vergärt und daraus Strom erzeugt. So speist das Kraftwerk mit seiner 250-Kilowatt-Leistung jährlich 1,5 Millionen Kilowattstunden Strom ins Netz. Die zwangsläufig anfallende Wärme blieb dabei allerdings weitgehend ungenutzt – immerhin das Äquivalent von 180.000 Litern Öl pro Jahr. „Das konnte ich nicht mit ansehen“, sagt Ralf Keller, einer der Landwirte.

Hinzu kommt, dass es im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungs-Bonus gibt. Das heißt: Wer auch die Wärme seiner Biogasanlage nutzt, bekommt für den eingespeisten Strom 2 Cent je Kilowattstunde zusätzlich vergütet. Diesen Zuschlag hatte die rot-grüne Regierung eingeführt, weil – wie eben bislang auch in Mauenheim – anfallende Biowärme allzu oft weggekühlt, also nicht genutzt wurde.

Für die beiden Landwirte war dieser Bonus nun neben den ökologischen Überlegungen ein äußerst wichtiges Argument – also suchten sie jemanden, dem sie die Wärme schenken können.

Das Unternehmen Solarcomplex GmbH aus der nahegelegenen Stadt Singen zeigte sofort Interesse und begann ein Nahwärmesystem zur Versorgung der Dorfbewohner mit Biowärme zu entwickeln. Heraus kam ein attraktives Projekt: Den 400 Einwohnern des Ortes wird nun Wärme zu einem Preis angeboten, der günstiger ist als der aller fossilen Energien.

Soeben wurde das Projekt mit einem Nahwärmenetz von 3,5 Kilometer Länge vollendet. Aus Gründen der Versorgungssicherheit und zur Abdeckung von Spitzenlasten im Winter wurde neben der Biogasanlage noch eine Holzhackschnitzelanlage mit knapp 1 Megawatt Heizleistung installiert. Damit kann nun der gesamte Wärmebedarf der Dorfbewohner regenerativ gedeckt werden.

Der Bürgermeister der Stadt Immendingen, Helmut Mahler, spricht von einer „weitsichtigen und zielstrebigen Initiative“ und betont auch ihren „regional-wirtschaftlichen Aspekt“, da die Energiekosten „nicht mehr abfließen, sondern als Kaufkraft vor Ort“ blieben.

Von einem „beispielhaften Modellprojekt“ spricht auch Peter Hennicke, Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. In Mauenheim werde demonstriert, dass „eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien auf dezentraler Ebene technisch und wirtschaftlich möglich“ ist.

Attraktiv für die Menschen in Mauenheim ist natürlich der geringe Energiepreis. „Wir liefern die Wärme für 4,9 Cent je Kilowattstunde ins Haus, der Kunde bezahlt in der Regel nicht einmal eine Anschlussgebühr“, sagt Solarcomplex-Geschäftsführer Bene Müller. Diese entfällt nämlich für alle Bürger, die ihren Vertrag fristgerecht unterschrieben haben und zudem auf eine jährliche Mindestabnahme von 15.000 Kilowattstunden kommen. Das ist eine Menge, die Altbauten üblicherweise erreichen; sie entspricht etwa 1.500 Litern Heizöl. Wer unter dem Limit bleibt, bezahlt einen einmaligen Anschlussbeitrag von 3.000 Euro.

Auch wenn an den Ölmärkten die Preise weiterhin drastisch steigen, haben die Mauenheimer nun eine Preisgarantie für die kommenden 20 Jahre. Für diesen Zeitraum nämlich ist der Wärmepreis vertraglich garantiert, wobei ein jährlicher Inflationsausgleich von 2,5 Prozent erhoben wird. Die Mauenheimer hat das offensichtlich überzeugt: Im ersten Anlauf haben sich bereits 66 von knapp 100 Haushalten für die Biowärme entschieden, mithin zwei Drittel der Einwohner.

Knapp 1,5 Millionen Euro hat das gesamte Projekt mitsamt Nahwärmenetz, Hausübergabestationen und zusätzlicher Hackschnitzelheizung gekostet. Finanziert wurde es von privaten Geldgebern im Stil der klassischen GmbH & Co KG. So soll sich die Biowärme auch für die Anleger rechnen: Nach den Prognosen des Initiators erhalten die Investoren binnen 20 Jahren 196 Prozent ihrer Einlage über Ausschüttungen zurück.

Damit könnte Mauenheim bundesweit ein Beispiel geben: „Wir werden noch viele „Mauenheims“ erleben“, sagt Claudius da Costa Gomez, Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas. Denn vielerorts in den ländlichen Regionen sei das Interesse an solchen Lösungen groß, und mit steigenden Energiepreisen komme „die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte von ganz allein“. Zudem, prognostiziert da Costa Gomez, würden auch die Bürgermeister „nach und nach erkennen, dass sie ihre Energie selbst erzeugen können und damit die Wertschöpfung in der Region halten“.

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