piwik no script img

Mit der Glasflasche zum Milch kaufen

PRECYCLING Unverpackte Ware spart Müll und Kosten. Ändert ein neuer Laden da Gewohnheiten?

BERLIN taz | Vom „Kiezladen Blank“ gibt es bislang nur die Waage. Sie steht in einer Berliner Wohnung und wartet darauf, lose Tomaten oder Bruchschokolade zu wiegen. Ob sie zum Einsatz kommt, entscheidet sich bis Mitte Juni. Dann endet die Crowdfunding-Aktion, die den Kiezladen finanzieren soll. Und mit ihm eine Nachhaltigkeitsidee, die unsere Gesellschaft von zwei Konsumkrankheiten heilen könnte: dem Verpackungswahn und der Wegwerfkultur.

Die Idee dahinter ist so einfach wie bekannt: Kunden nehmen ihre eigenen Behältnisse in den Laden mit. Glasflaschen für Milch oder Olivenöl, Tupperware für Müsli. Precycling heißt die Idee, Müll schon beim Einkauf zu vermeiden. Das ist nicht der einzige Vorteil: „Jeder kann genau die Menge kaufen, die er auch benötigt“, sagt Franka Eisenschenk, die den Laden in Berlin eröffnen will. Im Schnitt wirft jeder Bundesbürger pro Jahr 80 Kilogramm Lebensmittel weg.

Große Unterstützung für die Unverpackt-Idee spricht aus der erfolgreichen Online-Spendenaktion für Deutschlands ersten nachhaltigen Supermarkt „Original Unverpackt“. Das Konzept wurde vom Bundeswirtschaftsministerium ausgezeichnet, noch in diesem Sommer eröffnet in Berlin die erste Filiale. In Kiel und Bonn gibt es bereits ähnliche Lebensmittelläden.

Es ist ein gesellschaftliches Experiment. Wird ein Bankangestellter seine leere Glasflasche mit ins Büro nehmen, um auf dem Weg nach Hause noch einen Liter Milch zu zapfen? Um ihren Kunden die Umstellung schmackhaft zu machen, lockt Franka Eisenschenk mit saisonalen, regionalen und Bioprodukten zu Supermarktpreisen: „Unverpackte Ware ist natürlich auch billiger.“

Schrittweise ranführen, lautet die Devise. Wer ohne Korb oder Tupperware in den Laden kommt, soll sich Behälter aus Maisstärke leihen können. Ein kleines Café- und Bistroangebot soll den Kiezladen vorerst komplett tragen. Zwar hegt Eisenschenk keine Zweifel, dass der Laden angenommen wird, doch: „Die Frage ist, wie schnell.“ Unverpackte Lebensmittel sind nicht unumstritten. „Weniger Verpackung bedeutet nicht automatisch besser“, sagt Verfahrenstechniker Michael Braungart von der Universität Rotterdam. Verpackungen seien aus Gesundheitsgründen durchaus sinnvoll. Nur sollten gesundheitsschädliche Kunststoffe wie PVC endlich durch wiederverwendbare Materialien wie Edelstahl oder Glas ersetzt werden. „Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Politik, nicht der Konsumenten“, sagt Braungart. Da müssen viele Bundestagsabgeordnete in den Kiezladen Blank kommen. RALF PAULI

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen