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Bei der Polizei fliegen Flaschen nicht

Ein Elitepolizist soll bei den Krawallen im Hamburger Schanzenviertel eine Flasche geworfen haben – privat und in zivil. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen eingestellt: Kein Landfriedensbruch, keine versuchte Körperverletzung, so ihr Fazit

VON KAI VON APPEN

Hamburgs Polizeipräsident Werner Jantosch war geschockt. Beim traditionellen Straßenfest im Hamburger Schanzenviertel im September, bei dem nächtliches Geplänkel mit der Polizei zum Ritual gehört, hieß es diesmal auch: Polizei gegen Polizei. Ausgerechnet ein Beamter seiner Eliteeinheit, des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), soll eine Flasche auf einen Wasserwerfer geworfen haben, bei einem privaten Pistenbummel mit drei MEK-Kollegen und in alkoholisiertem Zustand. Damit erreichte das polizeiliche Agieren in jener September-Nacht einen weiteren Höhepunkt: Zuvor war bekannt geworden, dass eine Bremer Beweissicherungs- und Festnahme-Einheit (BFE) festgenommene vermeintliche Randalierer mit Sichtschutzbrillen orientierungslos in der Gegend herumstehen ließen.

Inzwischen ist das Verfahren gegen den MEK-Polizisten von der Hamburger Staatsanwaltschaft eingestellt worden. „Es ist nichts zu beweisen“, sagt der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Rüdiger Bagger. Dabei hatten zwei Polizisten den MEK-Beamten in jener Nacht beim Flaschenwurf deutlich gesehen und auch als Kollegen identifiziert. Sie hatten die Verfolgung in eine Kneipe des Szene-Boulevards jedoch abgebrochen, weil die einsatztaktische Möglichkeit im Raum stand, dass er und seine Kollegen im staatlichen Auftrag handelten – um die Randale anzuheizen.

„Selbst wenn er geworfen hätte“, käme laut Staatsanwalt Bagger nicht einmal der unterste Straftatbestand wie „versuchte Sachbeschädigung“ eines Hochdruckwasserwerfers in Frage. „Die Dinger sind so stabil“, sagt Bagger, „die gehen nicht durch eine Flasche kaputt.“

Das Szenefest im Schanzenviertel hat Tradition. Einst im Kampf gegen die Yuppisierung des Stadtteils und den Erhalt des autonomen Stadtteilzentrums Rote Flora von der alternativen und autonomen Szene ins Leben gerufen, findet es seit fast zwei Jahrzehnten jedes Jahr statt. Mittlerweile hat das Fest selbst mit der Kommerzialisierung zu kämpfen. Bei gutem Wetter kommen bis zu 20.000 Besucher.

Das hielt die Staatsmacht kaum davon ab, gegen die Veranstalter mit Schikanen vorzugehen – Bühnen wurden gestürmt, Flohmarktstände abgeräumt oder Aufsteller anschließend mit Wegenutzungsgebühren belegt. Das führte dazu, dass das Straßen-Event in den vergangenen Jahren nicht mehr offiziell angemeldet, sondern nur noch öffentlich angekündigt wurde. Das ruft alljährlich auch die Spaßguerilla auf den Plan. Spätestens um Mitternacht werden auf den Straßen kleine Barrikaden errichtet und Lagerfeuer entfacht. Die Polizei reagiert drehbuchartig mit Wasserwerfern, Knüppeleinsätzen und Festnahmen – während Hunderte am Rand das Schauspiel verfolgen.

In dieses Szenario mischten sich in diesem Jahr offenbar auch der MEK’ler und seine Kollegen ein, es flog eine Flasche in Richtung Wasserwerfer. Die Ermittler werten das aber nicht als Landfriedensbruch. „Alle sagen, der Flaschenwerfer hätte abgesetzt gestanden“, sagt Staatsanwalt Bagger. Dabei war der Schanzen-Boulevard in jener Nacht in Erwartung der Action gut gefüllt. Der Tatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung sei ebenfalls nicht erfüllt, weil die Wasserwerfer abseits des Geschehens gestanden hätten, fasst Bagger die Ermittlungen zusammen. „Dass das komisch klingt, mag ich ja nachvollziehen“, sagt Bagger, „aber das haben die Ermittlungen des Dezernenten ergeben.“

Pikant ist diese Entscheidung vor dem aktuellen Hintergrund: Fünf Wochen später, am 14. Oktober, verschwand ein holländischer Antifaschist für zwei Wochen in Untersuchungshaft, nachdem er im Hamburger Stadtteil Wandsbek an Protesten gegen einen Naziaufmarsch teilgenommen hatte. Ihm wurde vorgeworfen, er habe aus einem Park heraus eine Flasche in Richtung eines Wasserwerfers geworfen. Obwohl niemand verletzt worden ist, lautet die Anklage mittlerweile auf schweren Landfriedensbruch und versuchte schwere Körperverletzung.

Trotz der Entscheidung der Anklagebehörde werden die polizeiinternen Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Flaschenwerfer aus den eigenen Reihen fortgesetzt. „Das Disziplinarverfahren läuft weiter“, sagte Hamburgs Polizeisprecher Ralf Kunz der taz. Seine Beurlaubung, die nach dem Vorfall ausgesprochen worden war, sei zwar aufgehoben, so Kunz. „Es geht nicht nur allein um die strafrechtliche Schuld, sondern auch um das Benehmen eines Polizisten.“

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