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Das Ding, das kommtVergessener Musiker

DIE CELESTA spielte er 1925 in Alban Bergs „Wozzeck“. An den jüdischen Komponisten Berthold Goldschmidt erinnert jetzt ein Konzert in Hamburg

Die Machtergreifung der Nazis beendete 1933 abrupt Berthold Goldschmidts gerade keimenden Ruhm

Verbittert war er nicht. „Verbitterung ist selbstzerstörerisch“, hat Berthold Goldschmidt einmal gesagt. Dabei hätte der jüdische Komponist, dem jetzt eine Veranstaltung in Hamburg gilt, gute Gründe gehabt, auf Dauer mutlos zu werden. 1903 in Hamburg geboren, hatte er bei Franz Schreker studiert und 1925 den Mendelssohn-Preis gewonnen. Im selben Jahr spielte er in der Uraufführung von Alban Bergs „Wozzeck“ – und bei allen Folgekonzerten – im Orchester die Celesta, ein Harmonium-artiges Instrument, dessen Klang dem eines Glockenspiels ähnelt.

Goldschmidts erste eigene Oper, „Der gewaltige Hahnrei“, wurde 1932 in Mannheim uraufgeführt; ein zweites Konzert an der Städtischen Oper Berlin war für 1933 geplant. Doch die nationalsozialistische Machtergreifung verhinderte es: Goldschmidt wurde entlassen, bekam Komponierverbot, seine Werke galten als „verfemt“. Goldschmidt behalf sich eine Weile mit Klavierunterricht und ging 1935 ins englische Exil.

Dort gab es viele Exilierte, und die waren, wie die Goldschmidt-Expertin Barbara Busch schreibt, mäßig willkommen: Einerseits waren sie Konkurrenten, andererseits brauchte man sie, um der NS-Propaganda etwas entgegenzuhalten. Goldschmidt leitete also von 1944 bis 1947 die Deutsche Abteilung des European Service der BBC und stellte dort auch „verfemte“ Künstler vor.

Nebenher komponierte er, aber Fuß fassen konnte er nach 1945 nicht: Mit dem Keimen elektronischer und serieller Musik war der Musikbetrieb an Goldschmidt, der der Tradition des späten 19. Jahrhunderts folgte, nicht interessiert. Goldschmidt verstummte für 25 Jahre und wirkte stattdessen als Dirigent.

Erst in den 1980er-Jahren kamen seine Werke wieder ans Licht: Opern und Orchesterwerke wurden aufgeführt, und Goldschmidt begann wieder zu komponieren. Er trat in Gesprächskonzerten auf, gab Interviews, eine TV-Dokumentation entstand.

Goldschmidt trug das alles gelassen: „Ich fühle Genugtuung, auch Überraschung und eine große Freude, die etwas gedämpft wird durch die Tatsache, dass ich das wohl nicht mehr lange genießen kann. Berühmt sein ist auch ein hartes Stück Arbeit“, sagte er 1995. Ein Jahr später ist er 93-jährig in London gestorben. PS

■ Gesprächskonzert zu Berthold Goldschmidt: Mi, 18. 6., 19 Uhr, Körber Forum, Kehrwieder 12, Hamburg. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung unter www.koerberforum.de gern gesehen. Restkarten an der Abendkasse

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