: Lernen zum Schnäppchenpreis
Für die Bildung seiner EinwohnerInnen nimmt die Landesregierung laut Studien bundesweit zu wenig Geld in die Hand. Schulen und Hochschulen mangelt es an Personal und Perspektiven
VON MORITZ SCHRÖDER UND NATALIE WIESMANN
Die Bildung ist NRW trotz schlechter PISA-Ergebnisse nicht viel wert. Während Länder wie Hamburg, Berlin oder Bremen pro SchülerIn und StudentIn nach den aktuellsten Vergleichsdaten aus dem Jahr 2003 zwischen 8.000 und 8.500 Euro investierten, gab die NRW-Landesregierung nur 6.500 Euro für ihren Nachwuchs aus – so wenig wie kein anderes Bundesland. „Nordrhein-Westfalen hinkt bei den Investitionen für Bildung hinterher“, ist das Fazit einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Auch die aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Statistik bestätigen den Mangel an den Schulen: Neben Rheinland-Pfalz und dem Saarland gibt NRW am wenigstens für seine SchülerInnen aus.
Für die Landesregierung ist das kein Grund umzusteuern: „Wir investieren bereits viel in die Bildung“, sagt Nina Schmidt, Sprecherin von Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) der taz. Sommer habe rund 1.000 neue LehrerInnen eingestellt. Ob sich das in den vergangenen drei Jahren bei der Versorgung positiv ausgewirkt habe, wisse sie nicht: „Wir haben keine neueren Zahlen“, so Schmidt.
Die Einstellung neuer LehrerInnen reiche nicht aus, kritisiert Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) in NRW: „Zwar hat die Landesregierung Anstrengungen unternommen, trotzdem sind die aktuellen Zahlen ein schlechtes Zeugnis für das Land.“ Spürbar sei der Geldmangel vor allem bei der frühkindlichen Bildung, also im Angebot von Kindertagesstätten und Kindergärten. „Wir spüren den Mangel in den Schulen auch sehr deutlich“, ergänzt Burkhard Mielke, Vorsitzender der Schulleitungsvereinigung NRW. Die meisten Schulen seien unterbesetzt, die LehrerInnen müssten Überstunden schieben.
Nach der RWI-Studie steht NRW zumindest beim Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht schlechter da als andere Bundesländer: 4,3 Prozent seines BIP gibt das Land für SchülerInnen und Studierende aus, der Bundesdurchschnitt liegt bei 4,2. Warum NRW nicht weniger investiert, beim Nachwuchs aber am Ende so wenig ankommt, kann der Macher der RWI-Studie erklären: „In NRW ist das Pro-Kopf-Einkommen relativ gering“, sagt Bernhard Lagemann, weil es das Land mit den meisten EinwohnerInnen ist. Außerdem habe NRW über den Länderfinanzausgleich das Bildungssystem der neuen Bundesländer mit aufgebaut.
„Dazu kommt noch, dass in NRW länger studiert wird oder viele Studierende das Studium nicht zu Ende bringen“, erklärt Lagemann. Tatsächlich liegen die großen Unterschiede bei den Ausgaben der Bundesländer vor allem in den Investitionen für Studierende: Während Mecklenburg-Vorpommern seinen zukünftigen AkademikerInnen 9.500 Euro pro Kopf gönnt, zahlt NRW im Vergleich nur 5.800 Euro und hat damit das zweitschlechteste Ergebnis.
„Das überrascht mich nicht“, sagt Volker Ronge, Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz NRW. Die Hochschulen bekämen heute weniger Geld für ihr Personal als noch bis 2005. Allerdings kritisiert er die Methode der Essener ForscherInnen: „Die RWI-Aussage ist mir zu billig.“ Nicht berücksichtigt würde bei den Pro-Kopf-Bildungsausgaben etwa die Wanderung der Studierenden anderer Länder nach NRW, die Nordrhein-Westfalen finanziell besonders belaste. Zwar werde mit dem Hochschulpakt neues Geld in Universitäten und Fachhochschulen fließen, „doch auch dadurch wird die Situation nicht viel besser“, sagt Ronge.
Das Landeswissenschaftsministerium unter Andreas Pinkwart (FDP) sieht ebenfalls Defizite im Vergleich mit den anderen Ländern. Grund dafür sei aber vor allem die Politik der rot-grünen Landesregierung, die nicht genügend Geld in die Hochschulen gesteckt habe.
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