: Soldaten müssen erwünscht sein
Die Kongo-Mission zeigt: Der Einsatz der Bundeswehr im Ausland ist nur sinnvoll, wenn vor Ort der Wille zum Frieden besteht. Von einer Mission in Darfur ist daher abzuraten
Viele Bürger sehen die Auslandseinsätze der Bundeswehr kritisch – ganz besonders in Afrika. Die Stimmung ist verbreitet, dass „wir nicht die ganze Welt“ retten können. Auch der Bundeswehrverband, die Standesvertretung der Soldaten, wird nicht müde zu betonen, dass die klimatischen, kulturell-sprachlichen und sozialen Bedingungen gegen den Einsatz deutscher Soldaten in Afrika sprächen. Ein Stichwort waren die „Kindersoldaten“.
Umgekehrt gibt es aber auch Befürworter für weitere Einsätze in Afrika: Menschrechtsinternationalisten fordern immer dann UN-Interventionen, wenn Massaker und Völkermord drohen. Entwicklungspolitisch setzt sich zudem die Erkenntnis durch, dass es ohne Frieden keine Entwicklung gibt. Und mit Ausnahme von Linkspartei und FDP argumentieren die meisten Außenpolitiker, dass die Stabilisierung Afrikas auch im deutschen Eigeninteresse liege.
Wann also sind Bundeswehreinsätze in Krisengebieten gerechtfertigt? Sollen etwa deutsche Soldaten in den Darfur-Konflikt im Sudan eingreifen? Wichtige Entscheidungshilfen gibt die jüngste Kongo-Mission, die die dortigen Wahlen absichern sollte.
Auch gegen diesen Einsatz gab es im Vorfeld massive politische Einwände: Das Mandat sei nicht klar und die Fokussierung auf die Hauptstadt Kinshasa angesichts der Größe des Landes nicht nachvollziehbar. Es wurde auch argumentiert, dass mit der Eufor-Mission im Kongo von der viel „dringenderen“ europäischen Beteiligung an einer UN- Darfur-Mission abgelenkt würde. Große Teile der deutschen Öffentlichkeit und der Politik befürchteten, dass die Bundeswehr im Kongo schrittweise in einen Konflikt hineingezogen würde, aus dem es keinen „Exit“ geben würde. Weit verbreitet waren Einschätzungen, wie sie etwa Peter Scholl-Latour seit Jahrzehnten vertritt, dass der multiethnische Staat Kongo ein Kunstgebilde sei und kurz vor dem Auseinanderbrechen stehe.
Im Nachhinein erweist sich, dass der Konzentration des Eufor-Einsatzes auf Kinshasa eine völlig richtige politische Lageanalyse zugrunde lag. Trotz der Stammesvielfalt zeigte sich, dass es eine kritische Masse an kongolesischem Patriotismus gibt, dessen politischer Fokus Kinshasa ist. Die politische Perspektiven des Landes werden dort entschieden. Das größte Verdienst des Eufor-Einsatzes ist, dass er europäisch und international das nötige politische Engagement für den Kongo mobilisiert hat, um die dortigen konkurrierenden Lager auf die vereinbarten Spielregeln zu verpflichten. Im entscheidenden Moment haben die Eufor-Kräfte zudem genau das getan, wofür sie im Kongo stationiert worden sind: Sie haben geholfen, ohne Ansehen der involvierten Parteien, bewaffnete Konflikte zu unterbinden.
Natürlich ist Kongo weit davon entfernt, eine funktionierende Demokratie zu sein. Aber die Wahlen haben dazu beigetragen, den Friedensprozess zu stabilisieren, der 2002 unter südafrikanischer Vermittlung begonnen hat. Der Aufbau von staatlichen Institutionen ist in einem „failing state“ durch die Wahl von tausenden von Abgeordneten auf nationaler und auf Provinzebene einen Schritt vorangekommen – auch wenn die Etablierung der Provinzparlamente konfliktreich verläuft und Zeit braucht. Die Bundeswehr hat für künftige Einsätze Erfahrungen sammeln können und gerade bei der Kommunikation der Einsatzziele gegenüber der Bevölkerung in Kinshasa einen wichtigen eigenständigen Beitrag geleistet. Zwar hatte die Bundeswehr noch mit massiven logistischen Problemen zu kämpfen, doch auf der Habenseite steht, dass es eine intensive Abstimmung zwischen Militärführung und zivilgesellschaftlichen Organisationen gegeben hat, fast völlig ohne Berührungsängste. Dazu hat beigetragen, dass die katholische Kirche dem Eufor-Einsatz und insbesondere der Beteiligung der Bundeswehr positiv gegenüberstand. Die Kirche ist die maßgebliche zivilgesellschaftliche Kraft des Landes, die über die Ausbildung von zehntausenden Wahlhelfen massiv an der Institutionalisierung von demokratischen Strukturen im Kongo beteiligt ist.
Nun ist der Stabilisierungsprozess im Kongo nicht ansatzweise abgeschlossen, Rückschläge sind jederzeit möglich und die Eufor-Kräfte hatten auch Glück. Im Nachhinein wird man etwa kritisch fragen dürfen, ob Eufor nicht energischer auf einer weitgehenden Entwaffnung der hochgerüsteten Garden der Präsidentschaftskandidaten hätte bestehen müssen. Die eng gefasste zeitliche Mandatierung für die Bundeswehr hätte dem Eufor-Einsatz zudem beinahe die Flexibilität genommen, bei möglichen Eskalationen in der Nach-Wahl-Zeit tätig zu werden.
Erfolgreichen UN-Einsätzen wie zum Beispiel in Mosambik stehen aber auch gescheiterte Missionen wie jene in Somalia gegenüber. Militär ist kein Allheilmittel und Militäreinsätze – ob mit oder ohne UN-Mandat – können Konflikte verschärfen. Der Irak und der Süden Afghanistans sind dafür aktuelle Beispiele.
Fragt man nach den Erfolgsfaktoren einer Militärintervention von außen, dann wird man „realpolitisch“ anerkennen müssen, dass es in dem zu „befriedenden“ Land eines Mindestmaßes an politisch relevanten Kräften bedarf, die friedenswillig sind. Wichtige Gruppen der Gesellschaft müssen den Ausgleich wollen; für die Verständigung untereinander kann dann die ausländische Intervention eine positive, katalytisch verstärkende Rolle spielen. Ist dieser Friedenswille nicht gegeben, laufen Militäreinsätze Gefahr, Konflikte und das damit einhergehende Elend noch zu vergrößern. Deshalb ist die spannende Debatte heute nicht mehr, ob Militäreinsätze unter Beteiligung der Bundeswehr sinnvoll sind, sondern ob und unter welchen Voraussetzungen sie zum Erfolg führen können.
Und da hilft es in der politischen Beurteilung nicht, sich nur auf humanitäre Appelle zu stützen – und seien sie noch so nachvollziehbar. So ist ernsthaft zu fragen, ob ein UN-Einsatz mit Bundeswehrbeteiligung in Darfur sinnvoll ist, wenn die sudanesische Regierung eine Intervention dezidiert ablehnt und Teile der Rebellen ganz offensichtlich die internationale politische Aufmerksamkeit instrumentalisieren, um daraus im Kampf um die Ressourcen Nutzen zu ziehen.
Der Einsatz von Militär ist nur dann vertretbar, wenn er Teil einer politischen Konfliktlösung ist. Dies war im Kongo der Fall, und dies ist im Sudan zurzeit noch nicht absehbar. Deshalb kann es durchaus eine politisch gute „Second best“-Lösung sein, dass die Friedenstruppe der Afrikanischen Union in Darfur aufgestockt und materiell besser ausgestattet wird. So wichtig es ist, dass ein großer Teil der grün-alternativen Öffentlichkeit Bundeswehreinsätzen nicht mehr unbedingt ablehnend gegenüber steht, die schwierige Einzelfallabwägung wird auch in den kommenden Jahren hohe Anforderungen an die deutsche außenpolitische Debatte über den Einsatz des Parlamentsheeres stellen. ROGER PELTZER
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