: „Ungenügende Lehren aus dem Krieg“
EU-Ratspräsident Steinmeier begrüßt Wahlergebnis. Grüne sind skeptischer und verlangen offenere Visapolitik
BRÜSSEL taz ■ Bei seinem ersten Auftritt als EU-Ratsvorsitzender verblüffte Frank-Walter Steinmeier die wartenden Journalisten: Der deutsche Außenminister beantwortete alle Fragen zwar in seiner Muttersprache, um daran zu erinnern, dass Deutsch in der EU theoretisch den beiden anderen Arbeitssprachen Englisch und Französisch gleichgestellt ist. Er hatte aber für alle, die diese Sprache nicht beherrschen, eine englische Dolmetscherin mitgebracht.
Inhaltlich hatte Steinmeier nicht allzu viel mitzuteilen. Er erinnerte daran, dass bei den Wahlen in Serbien „immerhin zwei Drittel aller Sitze an demokratische Kräfte fielen“. „Ich sehe günstige Voraussetzungen dafür, dass eine Regierung gebildet wird, die das Land auf den europäischen Weg führt.“ Auch „EU-Außenminister“ Javier Solana bezeichnete die Mehrheit als „proeuropäisch.“ Die EU-Regierungen wissen ganz genau, dass nur eine „europäische Perspektive“ die demokratischen Kräfte in Serbien stärken kann. Doch das Assoziierungsabkommen liegt seit Mai 2006 auf Eis. Die Europäer verlangen von Belgrad bessere Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag.
Bedauernd wird in Brüssel registriert, dass die Bildung einer neuen Regierung in Belgrad Wochen dauern kann. Anfang Februar soll der UN-Sonderbeauftragte Martti Ahtisaari seine Vorschläge für die Zukunft des Kosovo vorlegen. Der Termin war verschoben worden, um die Wahlen abzuwarten.
Doch die Mehrheitsverhältnisse sind nun zu diffus, um Prognosen zu wagen. Ahtisaari wird voraussichtlich die Abtrennung des Kosovo empfehlen. Wie die neue Regierung darauf reagiert, ist völlig offen. Die grüne Europaabgeordnete Gisela Kallenbach äußerte sich daher enttäuscht über das Ergebnis. „Ich bedauere, dass die serbische Bevölkerung keine eindeutige proeuropäische Entscheidung getroffen hat.“ „Die extrem nationalistische Partei erhielt knapp ein Drittel der Stimmen – das ist für mich Ausdruck einer ungenügenden Reflexion der Kriege in Exjugoslawien.“ Kallenbach rügte aber auch die EU-Visapolitik. Mehr als zwei Drittel der jungen Serben hätten bisher keine Chance gehabt, ein europäisches Land zu besuchen.
DANIELA WEINGÄRTNER
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