: Ein Doktor auf dem Rückzug
PLAGIAT Ein geschickter Zug im Kampf um die Meinungshoheit sollte sein Auftritt sein, doch Guttenberg macht zu viele Fehler
OMID NOURIPOUR (GRÜNE)
AUS BERLIN MATTHIAS LOHRE
Der Minister glaubte wohl, er mache alles richtig. Eilig ließ Karl-Theodor zu Guttenberg eine Gruppe von Journalisten ins Verteidigungsministerium rufen, damit sie am Freitagvormittag seine Erklärung entgegennehme. Ohne die Möglichkeit heikler Nachfragen an einen Verteidigungsminister, der sich bedrängt sieht wegen der Frage, ob er seinen Doktortitel zu Recht trägt. Ein geschickter Zug im Kampf um die Meinungshoheit sollte es werden. Er misslang.
Im Berliner Bendlerblock sagte Guttenberg: „Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat, und den Vorwurf weise ich mit allem Nachdruck von mir.“ Sie enthalte zwar „fraglos Fehler“. „Es wurde allerdings zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht.“ „Vorübergehend“ verzichte er „gerne“ auf das Führen des Doktortitels, bis die zuständige Universität Bayreuth seine Arbeit geprüft habe. Nun wolle er sich wieder seinen Ministeraufgaben zuwenden, allen voran der Reform der Bundeswehr.
Damit versuchte Guttenberg, den massiven öffentlichen Druck zu verringern, der seit mehreren Tagen auf ihm lastet. Am Mittwoch wurde bekannt, dass die 475 Seiten lange Dissertation des Juristen über längere Passagen wortgleich ist mit Teilen von Zeitungsartikeln und Fachpublikationen – ohne dass dies als Zitat oder durch Fußnoten gekennzeichnet wäre. Am Freitagnachmittag listete die eigens eingerichtete Internetseite „GuttenPlag Wiki“ auf, dass die Doktorarbeit auf mindestens 111 Seiten Plagiate berge. Guttenbergs selbst formulierte Ansprüche an Moral und Aufrichtigkeit in der Politik wenden sich nun gegen den Umfrageliebling. Das nutzte die Opposition.
Der sicherheitspolitische Grünen-Sprecher Omid Nouripour sagte der taz: „Wir haben es mit einem Affärenminister zu tun, der so dafür sorgt, dass die Bundeswehr nicht geführt wird. Deren Reform scheint stecken zu bleiben. Bisher gibt es nur Ankündigungen.“ Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin erklärte, ein Doktortitel sei Namensbestandteil, den könne niemand ruhen lassen. Zudem kündigte Trittin an, kommende Woche im Bundestag zu erfragen, „was das Ehrenwort des Oberkommandierenden der Bundeswehr wirklich wert ist“. Guttenberg hatte der Uni Bayreuth in einer ehrenwörtlichen Erklärung versichert, er habe seine Dissertation selbstständig verfasst.
Auch die Union setzt ihren Vorzeigeminister unter Druck. Am späten Donnerstagabend hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Guttenberg ins Kanzleramt zitiert. Sie soll ihn zur öffentlichen Erklärung gedrängt haben.
Als Guttenberg dies am Freitag tat, machte er viele Fehler. Wie an jedem Freitag trat um 11.30 Uhr die Bundespressekonferenz (BPK) zusammen – der klassische Ort für Regierungsmitglieder und deren Sprecher, um Hauptstadtkorrespondenten Rede und Antwort zu stehen. Guttenbergs Sprecher sagte den verdutzten Journalisten, der Minister gebe gerade „ausgewählten Medienvertretern“ gegenüber eine Erklärung ab. Die düpierten Journalisten zeigten sich empört. Ausmarsch der Pressevertreter, Abbruch der Pressekonferenz. „Einen solchen Vorfall hat es zumindest in den vergangenen 20 Jahren nicht gegeben“, kritisierte der BPK-Vorsitzende Werner Gößling.
Prompt protestierte Gößling brieflich „auf das Schärfste“ gegen Guttenbergs Verhalten. Ebenso prompt bat Guttenberg per Brief um Entschuldigung für die „Parallelität der Presseunterrichtungen“. Leider gebe es in seinem Ressort immer wieder unvorhersehbare Ereignisse, die seinen Zeitplan durcheinanderbrächten.
Damit spielte der Minister auf einen Anschlag in einem Außenposten der Bundeswehr in Afghanistan an. In der Provinz Baghlan attackierte ein Mann in afghanischer Armeeuniform einen Außenposten, in dem auch deutsche Soldaten Dienst tun. Zwei Bundeswehrsoldaten starben, sieben weitere wurden verletzt, mehrere von ihnen schwer. Guttenberg hatte den Außenposten „OP North“ erst tags zuvor besucht.
Inland SEITE 4
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen