: Über 150 Millionen Mark veruntreut
■ Im bislang größten Fall von Vereinigungskriminalität hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage erhoben. Die drei Haupttäter bei der Ausplünderung der Ostberliner "WBB Wärmeanlagenbau" sind noch flüchtig.
Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage gegen zwei Hamburger Anwälte und zwei ehemalige Geschäftsführer der inzwischen geschlossenen „WBB Wärmeanlagenbau“ wegen Betrugs und Untreue erhoben. Die drei Firmeneigner sind dagegen flüchtig. Der Schaden wird auf mindestens 150 Millionen Mark geschätzt. Der Prozeß um den bisher größten Fall von Vereinigungskriminalität soll im Januar beginnen.
Die Treuhand hatte 1991 den „führenden Wärmeanlagenbaubetrieb der DDR“ an den ehemaligen Babcock-Manager Michael Rottmann und zwei Schweizer Geschäftsfleute verkauft. Als das Trio die Firma für zwei Millionen Mark übernahm und dafür den Erhalt von 750 Arbeitsplätzen versprach, befanden sich noch 153 Millionen Mark auf den WBB-Konten und Aufträge in Höhe von 710 Millionen Mark in den Büchern. Der Wert der Firma wurde später auf 60 Millionen Mark geschätzt.
Beim Mauerfall hatte der Betrieb noch 1.800 Mitarbeiter und besaß mehrere große Immobilien in Berlin-Mitte, Leipzig und Zwickau. Vorstandschef Rottmann entließ nach der Übernahme zügig Personal, leerte die Konten, machte die Immobilien zu Geld und verbrachte die inzwischen eingetriebenen Forderungen aus Altaufträgen ins Ausland. Die WBB wurde dazu in ein verschlungenes GmbH-Geflecht zwischen Berlin, Aargau und Vaduz umgewandelt, das im Kern aus einer Aufspaltung in einen „vermögenden“ und einen „operatiuen Teil“ bestand. Ende 1994 war die WBB ausgeplündert – und mußte Gesamtvollstreckung (die Konkursvariante Ost) beantragen. Es reichte nicht einmal mehr zu einem Sozialplan für die letzten 210 Mitarbeiter. Den WBB-Betriebsräten gelang es, die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität zu bewegen, sich des Falles anzunehmen, schließlich stellte auch die Treuhand-Nachfolgegesellschaft BvS Strafanzeige.
Im Juli 1995 beschlagnahmte die Polizei an 85 Orten sieben Tonnen Geschäftsunterlagen. Die entscheidenden Hinweise kamen jedoch später anonym aus der Kanzlei der jetzt mitangeklagten Hamburger Anwälte. Über dessen Kanzlei wurden die letzten 53 Millionen Mark aus dem WBB-Vermögen verschoben. Ein Teil des Geldes konnte daraufhin noch auf den einem der insgesamt 650 Firmenkonten sichergestellt werden.
Neben dem Schaden von 150 Millionen Mark sind noch andere Forderungen offen: So beansprucht zum Beispiel die Treuhand-Nachfolgerin BvS mindestens 20 Millionen Mark aus der Konkursmasse.
Außerdem gibt es noch etliche Merkwürdigkeiten, mit denen sich bereits der Untersuchungsausschuß des Bundestags zum DDR- Vermögen beschäftigte. So konnte der jetzt flüchtige Michael Rottmann noch nach Konkurseröffnung die WBB-Zentrale für 107 Millionen Mark verkaufen, obwohl die Treuhand-Tochter BVVG darin ihre Büros hatte. Später erklärte die Treuhand: „Die Existenz eines solchen Grundstücks konnte bei einem Unternehmen wie WBB nicht vermutet werden.“ Außerdem sollen drei mit dem Unternehmensverkauf beschäftigte Treuhand-Mitarbeiter anschließend bei der WBB untergekommen sein. Helmut Höge
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