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Ein Drittel Militärflugzeuge und Raketen

Die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung hat sich zu einem Zentrum internationaler Militärkongresse entwickelt. Bei der am Montag beginnenden ILA sind erstmals Nasa und Boeing dabei. Zahl der Aussteller nimmt zu. Konkurrenzdruck zu ausländischen Veranstaltern wächst  ■ Von Hannes Koch

Wenn die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) am 18. Mai zum vierten Mal auf dem Flughafen Schönefeld eröffnet wird, haben die Organisatoren sie zu einem internationalen Militärtreffpunkt ausgebaut. Von 58 Kongressen und Fachveranstaltungen im Umkreis der Ausstellung dienen immerhin 23 der Diskussion über Kriegsflugzeuge, Raketen, Taktik des Luftkriegs und ihre Fortentwicklung. Der militärische Anteil liegt damit bei 40 Prozent. Bei der vergangenen ILA 1996 waren es unter 30 Prozent.

Da finden etwa im Kreiswehrersatzamt Treptow die „deutsch-kasachischen rüstungswirtschaftlichen Gespräche“ statt, organisiert vom Bundesministerium für Verteidigung. Der Regierung des nach dem Zerfall der Sowjetunion unabhängig gewordenen Staates Kasachstan wollen die deutschen Rüstungsspezialisten erklären, wie die Beschaffung von Kriegsgerät „in einem demokratischen Staat“ funktioniert, sagt ein Mitarbeiter der Hardthöhe. Ohne entsprechende Bieterverfahren und geschultes Personal würden die Kasachen sonst von den internationalen Waffenherstellern „über den Tisch gezogen“.

Ähnliche Veranstaltungen finden auch mit Vertretern von Slowenien, Rumänien, Usbekistan, Rußland und der Ukraine statt. Neben politischem Einfluß erhofft sich die deutsche Rüstungsindustrie langfristig Aufträge aus Osteuropa und Asien. Daneben versammeln sich verschiedene Lenkungsausschüsse der Nato, die über Beschaffung oder Modernisierung von Waffensystemen wie des Eurofighters, des Kampfhubschraubers Tiger oder des Tornados beraten. Die Waffentreffen werden zumeist nicht von den beiden ILA-Organisatoren – Messe Berlin und Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) – organisiert, sondern von militärischen Institutionen.

Doch die Messe bildet den notwendigen Kristallisationskern. Das Bundesamt für Wehrtechnik etwa hat eine Nato-Frühjahrstagung nach Berlin-Adlershof einberufen, damit sich die BesucherInnen während der ILA gleich einen Überblick über das Geschehen in der Branche verschaffen können. Messe-Sprecher Holger Rogall betont, daß man die ILA mittlerweile zur Flugmesse „mit dem weltweit größten Kongreßprogramm“ ausgebaut habe. Und das umfaßt neben zivilen Themen eben auch den militärischen Schwerpunkt, der ebenso weltweit seinesgleichen suchen dürfte. „Bei den anderen großen Ausstellungen sehen Sie viel mehr Militär“, schränkt Rogall jedoch ein.

Die Präsentation militärischen Fluggeräts in der Luft und am Boden stehe bei der Konkurrenz im britischen Farnborough, in Le Bourget bei Paris und auch in Singapur eher im Vordergrund.

Tatsächlich allerdings stellen auch in Schönefeld die Luftwaffen aller Herren Länder ein Drittel der zu besichtigenden, knapp 300 Flugzeuge und Hubschrauber. Nicht zuletzt die Entscheidung, auf begleitende Kongresse zur Entwicklung der Luftfahrt, zu neuen Typen von Passagierflugzeugen, aber auch Spezialthemen wie Versicherungsfragen besonderen Wert zu legen, machen die Organisatoren für den Aufschwung der ILA verantwortlich. BDLI-Sprecher Michael Hauger verweist darauf, daß weder Farnborough noch Le Bourget ein derart verzweigtes Rahmenprogramm böten.

Und die Zahl der Aussteller steigt: Waren es 1996 noch rund 580 Firmen und Organisationen, haben sich dieses Jahr bereits 770 angemeldet. Hoffnungsfroh geht man davon aus, daß der ZuschauerInnenrekord von 1996 (225.000) in einigen Tagen ebenfalls eingestellt wird. Die ILA profitiert auch, weil sie sich inzwischen einen Namen gemacht hat. Selbst so mächtige Organisationen wie die US- amerikanische Raumfahrtagentur Nasa oder die Firma Boeing stellen dieses Jahr erstmals in Schönefeld aus. Bei Boeing dürfte die Entscheidung auch damit zu tun haben, daß man vor dem Hintergrund der stärker werdenden Konkurrenz des europäischen Airbus- Konsortiums keine Gelegenheit für die Imagepflege auslassen will. Im übrigen sitzt vielen Firmen das Geld mittlerweile wieder lockerer. Deshalb sind sie eher bereit als noch vor Jahren, einen teuren Messestand zu finanzieren. Denn Konzerne wie die Daimler-Tochter Dasa und Airbus kommen allmählich aus dem politischen und wirtschaftlichen Tief heraus. Die Verkaufszahlen bei Passagierflugzeugen steigen wieder, und weltweit bescheinigt sich die Luftfahrtlobby angesichts rapide zunehmenden Flugverkehrs, vor einem beispiellosen Boom zu stehen.

In der Bundesrepublik wittert zudem die Rüstungsindustrie wieder Morgenluft – allen voran die Dasa. Nachdem der Bau des umstrittenen Eurofighters durchgedrückt wurde, hofft man, vor der Bundestagswahl noch andere Waffenprojekte unter Dach und Fach zu bringen.

Eigentlich gibt es zwei ILAs gleichzeitig. Die eine wendet sich an Papa und Sohn, die am Wochenende schnelle Jets bei rasanten Manövern beobachten wollen. Die andere interessiert im wesentlichen die Fachleute und ruht auf drei Säulen: den häufig nichtöffentlichen Kongressen, der Ausstellung der Firmen und dem Ost- West-Zentrum, wo Kontakte zwischen internationaler Wirtschaft, Politik und Dienstleistern hergestellt werden sollen. Trotz des wachsenden Gewichts jedoch kann auch die diesjährige ILA den großen Konkurrenzveranstaltungen – gemessen an der Zahl der Aussteller – nicht das Wasser reichen. Nach Le Bourget fanden 1997 immerhin 1.850 Firmen und Organisationen, nach Farnborough 1.164 (1996), und 1998 waren in Singapure 950 Stände gebucht.

Trotzdem reagieren die britischen Veranstalter mittlerweile härter auf die Berliner Konkurrenz: Der Termin für die nächste Messe in Farnborough wurde unmittelbar an den der ILA herangerückt. Man will die Aussteller zwingen, sich zu entscheiden. BDLI-Sprecher Michael Hauger gibt sich jedoch kämpferisch: „Sie können die Konfrontation kriegen.“

ILA, 18.–24. Mai 1998, Flughafen Schönefeld, Südgelände, Eingang Diepensee, Ausstellung und Flugvorführungen jeweils 10 bis 18 Uhr, Karten 22/14 Mark, Busshuttle von Bahnhof Lichtenberg, U-Bahnhof Rudow, S-Bahnhof Schönefeld im Preis inbegriffen.

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