: „Mein Wunsch wäre: Ausstieg in zehn Jahren“
■ Der erfahrene Anti-Atom-Kämpfer und SPDler Klaus Traube hofft, daß die Koalition schon vor den Konsensverhandlungen Druck auf die Atomindustrie ausübt. „Froh, daß endlich was passiert“
Der Physiker Klaus Traube (70) arbeitete lange für die Atomindustrie, zuletzt als technischer Chef der Interatom, bis er 1978 die Seiten wechselte. Bis vor einem Jahr leitete der Sozialdemokrat das Bremer Energieinstitut und ist nun Energie- Sprecher des BUND.
taz: Ist das nun die langersehnte Wende?
Klaus Traube: Es ist natürlich eine historische Zäsur. Es gibt nun eine Bundesregierung, die klar sagt, wir wollen raus aus der Atomenergie. Im Prinzip bin ich sehr froh, daß jetzt endlich etwas passiert. Allerdings gibt es noch immer die schreckliche Gefahr, daß in Deutschland wie in Tschernobyl ein Atomkraftwerk hochgeht. Das müßte eigentlich zu einer sofortigen Stillegung führen. Ich bin aber Realist genug, daß ich das nicht von der Regierung erwarte.
Also halten Sie nichts vom Verhandeln mit der Industrie?
Verhandeln finde ich im Prinzip gut. Denn bei einer tragfähigen Einigung könnte man Gerichtsverfahren mit unsicherem Ausgang vermeiden. Der linke Flügel der SPD hat vor kurzem einen SPD-internen Forderungskatalog aufgestellt: Danach sollen mindestens die ältesten sieben Atomkraftwerke während der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden, und der alte SPD-Beschluß „Ausstieg in zehn Jahren“ muß die Zielsetzung für Verhandlungen sein. Das hätte ich mir gewünscht.
Das gab es nun nicht.
Richtig, aber auch vor Konsensverhandlungen kann man schon einiges machen. Eine Umkehr der Beweislast in Sicherheitsfragen wurde ja offenbar bereits vereinbart. Es wäre gut, wenn nun die Wiederaufarbeitung im Ausland sofort vollständig abgestellt würde und nicht auslaufen würde, wie es wohl beschlossen ist. Und außerdem geht es nicht an, daß die Unternehmen mit den steuerfreien Rückstellungen für die Entsorgung alles mögliche machen dürfen, wie Firmen aufkaufen. Das Geld muß künftig in einen öffentlichen Fonds gezahlt werden.
Was sind nun die Konsequenzen für die Wirtschaft?
Das Gerede der Atomindustrie von 200 Milliarden Mark Verlust ist absoluter Unsinn. Selbst wenn ich von einem Ausstieg in zehn Jahren ausgehe, sind die wirtschaftlichen Konsequenzen gering. Moderne Gaskraftwerke vor allem in Kraftwärmekopplung sind außerordentlich kostengünstig, so daß von einem Neubau von Atomkraftwerken längst nicht mehr die Rede ist – nicht mal in Frankreich.
Wie wird sich die Industrie in den Konsensgesprächen verhalten?
Das wird intern ziemliche Auseinandersetzungen geben. Es ist eine Schar von Managern nachgewachsen, die weiß, daß die Atomkraft künftig nicht mehr wirtschaftlich ist, und die ihre Unternehmen nicht in solche gesellschaftlichen Konflikte stürzen will. Die werden einem Ausstieg zustimmen wollen und versuchen, möglichst lange Auslauffristen auszuhandeln.
Es wird also Konsens geben?
Es gibt auch noch die Hardliner. Ich bin daher nicht sicher, aber ich vermute, es kommt zum Konsens.
Wird der für Sie tragbar sein?
Natürlich wird es kein Konsens sein, wie ich ihn mir wünsche. Aber wenn so Sicherheit zum Abschalten geschaffen wird und vor allem in dieser Legislaturperiode deutliche Zeichen gesetzt werden – sagen wir mal: das erste Drittel der Kraftwerke, die klapprigsten würden abgeschaltet –, wär' das ein massives Signal. Dann würde ich es nicht auf einen juristischen Kampf ankommen lassen.
Wird mit dem Verweis auf die Konsensverhandlungen nicht der künftige Koalitionskrach schon programmiert? Wahrscheinlich wird der Konsens doch nicht gerade ideal sein.
Ich hoffe, daß Schröder und Trittin eine vernünftige gemeinsame Meßlatte für die Konsensgespräche vereinbart haben. Sonst fürchte ich, ist der Konflikt zwischen Rot und Grün tatsächlich nur um ein Jahr verschoben. Interview: Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen