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MARTIN REICHERT über LANDMÄNNERIm Darkroom von Mutter Natur

Wenn Landfrauen auf Landmänner treffen, weiß man keineswegs, worauf es hinausläuft

Neulich hatten wir Landfrauen-Besuch. Zwei nette Ladys mittleren Alters standen plötzlich in der Küche. Wir baten Sie zu Kaffee und Keksen – auch unsere beiden Katzen waren hocherfreut, auf streichelfreudige Gäste zu treffen, und schnurrten, was das Zeug hielt.

„Sind das Frauen oder Männer“, fragte die eine Landfrau und deutete auf die wohlgemuten Katzen. „Das sind Frauen und sie sind sterilisiert“, antworteten wir und ernteten eine erneut vorsichtige, fast schon misstrauische Nachfrage: „Dann sind das also die einzigen Frauen im Haushalt?“ Schon, ja. Und das mit der Sterilisation haben wir auch nur gemacht, damit nicht noch weiterer Nachwuchs, gleich welchen Geschlechts, unsere Hütte bevölkert.

Eine der beiden Frauen wurde gerade von ihrem Mann verlassen, er hat eine Jüngere und sie steht da mit dem noch lange nicht volljährigen Kind und weiß nicht, wie lange sie noch im ehemals gemeinsamen Haus bleiben kann. „Er“ will es für sich alleine haben, womöglich will er dort mit der neuen Flamme Biogemüse züchten oder gar weitere Kinder zeugen. Die andere Landfrau hat hingegen beruflich Ärger mit Männern, sie arbeitet in einem Frauenhaus – immer wieder musste sie wegen des klingelnden Mobiltelefons vor die Tür gehen. Sie hatte Bereitschaftsdienst, musste da sein für geschlagene, misshandelte, vorrübergehend verlorene Frauen aus Brandenburg.

Es stimmt schon: Meistens haben wir eher Männerbesuch. So wie an Weihnachten, als zwei Freunde aus Berlin bei uns übernachtet haben. „Man, hier riecht es ja wie zu Hause“, hatte einer von ihnen mit leuchtenden Augen gerufen, als ihm der Duft von Weihnachtsgans und Rotkohl in die Nase stieg. Seine Eltern wissen noch immer nicht, dass er schwul ist – es war in diesem Sinne sein erstes Homo-Weihnachtsfest. Ein „Familien“-Fest, an dem man so sein kann, wie man wirklich ist.

Nach der Gans hatten wir eine Nachtwanderung zum nahe gelegenen See unternommen. Man konnte die Hand vor Augen nicht sehen vor lauter Dunkelheit und Nebel. Es war kalt, aber wir waren ja zusammen – in diesem riesigen Natur-Darkroom. Als wir nach Hause kamen, haben wir noch stundenlang gequatscht: über die Männer, über Liebe, über die Familie. Der Besuch war froh, mal eine Pause machen zu können vom Berliner Nachtleben, in dem man Drogen nehmen muss, bis die Nase blutet. Pause von den Posen, dem Geplapper über Madonna und all dem anderen hedonistischen Stress.

Die beiden Landfrauen wollten auch gerne spazieren gehen, also verpackten wir uns in warme Klamotten und gingen mit ihnen zum See. Trotz der Kälte tauten sie langsam auf und fingen an zu erzählen: von Frauen und Männern, von der Liebe, von der Familie. Sie waren froh, mal eine Pause machen zu können im Kampf der Geschlechter. Einfach darüber zu reden, wie es wirklich ist – ohne Angst, dass das männliche Gegenüber finstere Absichten haben könnte. Pause vom „Ihr“ und „Wir“. Die Landmänner hörten einfach zu.

Am See angekommen, konnte man die Hand durchaus vor Augen sehen. Das alte Hotel am Ufer steht zwar seit längerem leer, aber vor der Tür waren gleich mehrere schwere Geländewagen mit Berliner Kennzeichen geparkt. In der kleinen Ackerbürgerstadt munkelt man schon seit geraumer Zeit, dass dort ein Bordell eingerichtet werden soll – und die Geländewagenbesitzer sahen auch so aus, als könnte an dem Gerücht etwas dran sein.

Nun standen die Landmänner und die Landfrauen recht fassungslos vor dem Kasten. Und waren sich einig, dass ihnen ein gemütliches Ausflugslokal mit ordentlichem Kuchenangebot wirklich lieber gewesen wäre. Wieder klingelte lärmend das Bereitschaftshandy der Frauenhaus-Landfrau. Nachdem sie die verwirrte Anruferin beruhigt hatte, blickten wir gemeinsam auf den von warmer Abendsonne beleuchteten See.

Und plötzlich, in dieser angenehmen Stille, war da so etwas wie eine Geschwisterlichkeit zwischen uns allen vieren.

Fragen zu Landfrauen? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

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