piwik no script img

BEI DER HEROINVERGABE HAT SICH DIE VERNUNFT DURCHGESETZTDer Staat darf weiter Leben retten

Normative Kraft des Faktischen, Einsicht in die Notwendigkeiten, Realpolitik: Wie Volker Kauders Einlenken bei der kontrollierten Heroinvergabe an Schwerstabhängige genannt werden wird, ist egal. Längst hat sich in der Medizin durchgesetzt, dass Opiate nicht immer der Gottseibeiuns selber sind. Schmerzpatienten, chronisch Kranke und Sterbende bekommen sie mittlerweile anstandslos. Die Angst davor, dass Heroinabhängige süchtig werden könnten, ist obsolet: Sie sind es ohnehin. Und daher wird der Staat auch nicht, wie die Union lange beharrte, zum „Dealer“, sondern ermöglicht Leben in Menschenwürde. Die Kölner CDU-Abgeordnete Ursula Heinen hat recht, wenn sie das ein „zutiefst christliches Projekt“ nennt.

Dass Kauders Unionsfreunde von Beust und Koch ihn auf die möglicherweise tödlichen Folgen bei einem Abbruch der Behandlung hinwiesen, mag ein Appell ans Gewissen gewesen sein. Fest gemauerte konservative Grundüberzeugungen versus liberale Tendenzen in der Union machten deren innere Spannungen sichtbar. Dass sich die sieben Städte parteiübergreifend für eine Legalisierung der staatlichen Heroinvergabe einsetzten, ist Beweis dafür, das sich mit ideologischem Profil keine Kommunalpolitik mehr machen lässt.

Hinter dem Schulterschluss steht Realpolitik. Zu sehr war schon vor Beginn des Modellprojektes vor fünf Jahren offensichtlich, dass die Städte davon profitierten. Der Erfolg gibt den runden Tischen nach Frankfurter Vorbild mehr als recht. Die harte Drogenszene ist weitgehend aus den städtischen Anlagen verschwunden, Beschaffungskriminalität und Drogenprostitution sanken signifikant, die Dealer harter Drogen machten weniger Kasse.

Sozialpolitisches Engagement, christliche Nächstenliebe, Gemeinnutz durch die Senkung gesellschaftlicher Folgekosten und Eigennutz der Kommunen zur Verschönerung des Stadtbildes durch die Reduzierung der Fixerszene: Zusammen haben diese Faktoren letztendlich und wie nebenbei die Haltbarkeit gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Nutzanwendung von Heroin als Medikament belegt. HEIDE PLATEN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen