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Überfall ohne Sanktionen

Acht Monate nach der Nazi-Attacke auf eine Party von Werder-Fans hat der Verein immer noch keine Stadionverbote für die Angreifer ausgesprochen – wegen „mangelnder rechtlicher Handhabe“

von CHRISTIAN JAKOB

Im Januar überfielen rechte Hooligans die Party einer Werder Ultra-Fangruppe im Ostkurvensaal. Viele der Gäste wurden verletzt, trugen Knochenbrüche oder eine Gehirnerschütterung davon, einige mussten operiert werden. Danach war die Angst unter den Opfern groß – niemand wagte, gegen die Neonazis auszusagen. Werder warf den Ultras deshalb vor, „eine Mauer des Schweigens“ errichtet zu haben. Schließlich zeigten die Ultras die seit Jahren einschlägig bekannten Angreifer namentlich beim Verein an. In einer Erklärung kündigte Werder daraufhin an, „unverzüglich gegen die Rechtsradikalen vorzugehen“. Passiert ist bis heute nichts.

„Wir sehen die Nazis bei jedem Spiel vor dem Stadion. Bei den letzten Auswärtsspielen haben die Rechten uns bis zu unseren Bussen verfolgt und bedroht,“ sagt Fan-Aktivist Matthias K. Noch immer seien Stadionverbote entweder nicht ausgesprochen worden oder würden in der Umgebung des Stadions nicht durchgesetzt. „Der Verein tut entschieden zu wenig dafür, dass von den rechten Hools keine Gefahr mehr ausgeht.“

Werder-Sprecher Tino Polster weist dies zurück. „Allein aufgrund der Zeugenaussage, die aus einigen Namen auf einem Zettel bestand, ist es rechtlich ausgeschlossen, ein Stadionverbot auszusprechen.“ Der Verein habe mehrfach bei der Polizei nach Ermittlungsergebnissen gefragt, diese lägen jedoch noch nicht vor. Man wolle nicht riskieren, sich von Nazis vor Gericht vorführen zu lassen, und diesen anschließend doch wieder Einlass ins Stadion gewähren zu müssen. Sobald die Polizei konkrete Erkenntnisse habe, werde der Verein handeln, so Polster.

K. kann das nicht nachvollziehen. „Die Vereine haben allergrößten Ermessensspielraum bei den Stadionverboten. Vielen Ultras sprechen die Sicherheitsdienste schon wegen Lappalien wie dem Verkleben von Stickern Stadionverbote aus.“

Die Polizei hat einen Fragebogen erarbeitet, um den Hergang des Überfalls zu klären. Rund vierzig Partygäste füllten die Bögen aus und erstatteten schriftlich Anzeige bei der Polizei. Nach Angaben der Ultras wurden dabei dieselben Personen beschuldigt wie gegenüber den Vereinsverantwortlichen. Ende September leitete die Polizei dann schließlich offizielle Ermittlungsverfahren gegen mehrere der Hooligans ein.

Die Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes sind eindeutig: Bei behördlichen Ermittlungsverfahren wegen Gewaltanwendung, Nötigung, Hausfriedensbruch sowie rechtsextremistischen Handlungen sollen die Vereine bundesweite Stadionverbote aussprechen.

Vor zwei Wochen lud das Fan-Projekt zu einer Diskussion im Ostkurvensaal ein. Der Titel: „Rassismus beim Fußball“. Geladen waren neben einem Vertreter des „Bündnis Aktiver Fußball-Fans“ auch der Werder Geschäftsführer Klaus-Dieter Fischer. Fischer sagte ab, der Werder-Fanbeauftragte Zeiffer empfahl den Fans „mehr Zivilcourage“ gegen die rechten Schläger.

K. nennt das „feige“. „Der Verein lässt Straßenbahnen mit antirassistischen Sprüchen bemalen und legt ansonsten die Hände in den Schoß. Dann noch von den Leuten, die genau in der Schusslinie der Nazis stehen ‚mehr Zivilcourage‘ zu verlangen, ist ein schlechter Witz.“

Dass die Angst der Ultras nicht unbegründet ist, beweist der Angriff auf einen Verantwortlichen des Fanprojekts. Dieser wurde vor einigen Wochen von einem Mitglied der rechten Hool-Clique angegriffen und verletzt. Auch der Fanprojekt-Mitarbeiter erstattete Anzeige. Der Hintergrund: Das Fanprojekt betreibt den Ostkurvensaal – und dort haben die rechten Hooligans seit einiger Zeit Hausverbot. Etwa zur selben Zeit wurde eine Gruppe von linken Jugendlichen am Werdersee von den Hooligans mit Teleskop-Schlagstöcken und Pfefferspray angegriffen.

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