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Die Müll-Abfuhr

Behörden in Australien stellen die geplanten Sondermülltransporte nach Nordrhein-Westfalen wieder in Frage. Giftige Stoffe könnten auch vor Ort entsorgt werden, so australische Umweltschützer

VON CHRISTIAN WERTHSCHULTE

Der umstrittene Transport von australischem Sondermüll nach Nordrhein-Westfalen droht zu platzen. Nach Ansicht der australischen Umweltschutzorganisation National Toxic Network (NTN) dürfen 17.000 Tonnen mit Gift belastetem Abfalls nicht zu den Müllverbrennungsanlagen in Leverkusen, Dormagen und Herten transportiert werden. „Das hochgiftige Hexachlorbenzol (HCB) kann besser hier in Australien vernichtet werden“, sagte die australische NTN-Toxikologin Marianne Lloyd-Smith gestern der taz. Verfahren wie die Reaktion mit Glykolen oder die Zufuhr von Gas könnten von Anlagen in Queensland und Melbourne durchgeführt werden. Das internationale „Baseler Abkommen“ von 1989 schreibt vor, dass Abfälle in der Nähe des Erzeugers entsorgt werden müssen.

Nach einem Bericht des australischen Daily Telegraph prüft der neue Umweltminister Malcolm Turnbull deshalb erneut die Exportbedingungen für das mit HCB belastete Material. Im Jahr 2004 hatte sich das dortige Umweltministerium bereits gegen den Export ausgesprochen.

Der Rat der Stadt Herten hat sich am Mittwoch Abend in einer Resolution einstimmig gegen die Mülltransporte der Firma Orica ausgesprochen. Laut NTN hat Orica die australischen Behörden im Unklaren über die Alternativen zum Export nach Europa gelassen.

In der Hertener Müllverbrennungsanlage zweifelt man jedoch daran, dass diese Alternativen umsetzbar sind. „Das heißt gar nichts, im Labor können sie viele Reaktionen testen“, sagt Heinz Struczynski von der Betreiberfirma AGR. Ökonomisch erprobt sei nur die Verbrennung, auch ein Export der Technologie nach Australien sei unrentabel, so Struczynski. Orica investiere 22 Millionen Euro in den Transport, eine Anlage wie die in Herten koste dagegen 70 bis 80 Millionen. Die AGR sieht sich außerdem in der Pflicht, den Giftmüll anzunehmen. „Schließlich exportiert Deutschland ja auch Autos nach Australien.“

Bayer Service Industries, die den Müll in ihren Anlagen in Dormagen und Leverkusen verbrennen wollen, zeigt sich von den Konflikten um den Transport wenig beeindruckt: „Das fällt erst in unsere Verantwortung, wenn die Transporte vor den Werkstoren stehen“, sagte Pressesprecher Christian Zöller. Die notwendigen Genehmigungen müssten jedoch vorliegen.

Dies war gestern noch nicht der Fall. Die Bezirksregierung in Münster erklärte, dass die australischen Behörden noch keine Ausfuhrgenehmigung für den belasteten Transport erteilt haben. Diese sei jedoch die Bedingung.

Auch bei einer positiven Entscheidung der Behörden würde sich die Frage nach den Transporte bald erneut stellen: Die Genehmigung der Bezirksregierung Münster würde ein Jahr lang gültig sein. Orica rechnet jedoch mit vier Transporten innerhalb von zwei Jahren.

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