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Gericht stoppt britisches Atomprogramm

Eigentlich wollte die Regierung in London in den nächsten Wochen grünes Licht für das neue Atomprogramm geben. Daraus wird nun erst mal nichts. Denn der High Court hält die bisher gegebenen Informationen für unzureichend und irreführend

AUS DUBLINRALF SOTSCHECK

Die Pläne der britischen Regierung, möglichst schnell eine neue Generation von Atomkraftwerken durchzusetzen, verstoßen gegen die Gesetze. Das entschied gestern der High Court in London. Richter Sullivan bezeichnete den Planungsprozess als „äußerst mangelhaft“ und „verfahrensrechtlich unfair“. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die die Klage eingereicht hatte, empfahl der Regierung, „zurück ans Reißbrett“ zu gehen. „Durch Atomkraft können wir unseren CO2-Ausstoß nicht senken“, sagte Emma Gibson von Greenpeace. „Das geht nur, indem wir unser Energiesystem modernisieren und auf erneuerbare Energie setzen.“

Atomkraftwerke liefern 20 Prozent des britischen Stroms. Bis auf eins werden sie jedoch spätestens 2023 abgeschaltet. Noch 2003 hatte die Regierung Atomkraft als „unattraktive Option“ bezeichnet. Diese Meinung revidierte sie voriges Jahr gründlich. Seitdem setzt Premierminister Tony Blair auf neue Atomkraftwerke, um Großbritannien von den Krisenherden im Nahen Osten unabhängiger zu machen und um den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2050 um 60 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Doch selbst wenn man die Atomkraft verdoppelte, würde das nur eine Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen um 8 Prozent bewirken. Die neuen Anlagen will die Regierung neben stillgelegte AKWs bauen lassen. Dadurch, so hofft man, würden die Proteste weniger laustark ausfallen. Die Anwohner sind ja bereits an die Plutoniumschleudern vor ihrer Haustür gewöhnt.

Die Regierung versprach damals eine „umfassende öffentliche Anhörung“. Die habe nicht stattgefunden, befand das Gericht gestern. Von Baukosten oder dem Umgang mit dem Atommüll sei in dem Regierungspapier kaum die Rede – im Gegenteil: Die spärlichen Informationen seien sogar irreführend. „Etwas ist beim Konsultationsprozess ganz eindeutig und radikal schiefgelaufen“, sagte Richter Sullivan. Das Papier enthalte überhaupt keine konkreten Vorschläge, es sei „völlig unzureichend, um intelligent darauf reagieren zu können“.

Die Regierung wollte eigentlich in den nächsten Wochen grünes Licht für das neue Atomprogramm geben. Vor drei Tagen hatte British Energy, das zu 65 Prozent im Staatsbesitz ist, die Privatwirtschaft aufgefordert, sich am Bau neuer Atomanlagen bis 2016 zu beteiligen. Von den alten Reaktoren sind vier nach Störfällen weiterhin außer Betrieb. Hinkley und Hunterston können im April wieder ans Netz, glaubt British Energy. Bei Heysham und Hartlepool wird es noch etwas länger dauern.

Hinzu kommt, dass die Thermaloxid-Wiederaufarbeitungs-Anlage (Thorp) auf dem Gelände von Sellafield schon wieder Sicherheitsprobleme hat. Diesmal sind es die Verdunster für radioaktive Flüssigkeiten, die nicht funktionieren. Eigentlich sollte Thorp in diesem Monat nach zweijähriger Pause erneut in Betrieb genommen werden. Die Anlage musste vorübergehend stillgelegt werden, weil in einem Zeitraum von neun Monaten rund 83.000 Liter eines hochaktiven Uran-Plutonium-Gemischs ausgetreten sind, ohne dass es jemand bemerkt hätte.

Die Betreiberin British Nuclear Group (BNG) wurde wegen „krimineller Nachlässigkeit“ zu einer Geldstrafe von 500.000 Pfund verurteilt. Diese Kosten, ebenso wie die aufgrund der Unfälle erhöhten Betriebskosten, will BNG auf die Kundschaft abwälzen. Die ist damit aber nicht einverstanden. Drei deutsche Kunden – Eon, Grohnde und Brokdorf – haben BNG verklagt.

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