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Tödliche Angriffe auf Akteure des Fairen Handels

GEWALT Wer in Entwicklungsländern für faire Löhne und Arbeitsbedingungen kämpft, geht Risiken ein. Oft bleibt es nicht bei Drohungen

Angehörige von Polizei und Militär ermorden Bürger und Kleinbauern, die Täter bleiben ohne Strafe

VON MIRKO HEINEMANN

15. März 2014, am frühen Samstagabend mitten in Oton, einer Kleinstadt auf der philippinischen Insel Panay: Romeo Robles Capalla, Vorstandsvorsitzender und Mitgründer der Genossenschaft Panay Fair Trade Center (PFTC), besuchte den Wochenmarkt, als zwei Unbekannte das Feuer auf ihn eröffneten. Kurz darauf erlag Capalla seinen Verletzungen.

Der 65-jährige Capalla galt als Pionier in den Philippinen. Er organisierte den Fairen Handel und setzte sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Kleinbauern ein. Die philippinische Menschenrechtsgruppe Karapatan erklärte, der Mord an Capalla sei der Höhepunkt einer Schikane seitens des Militärs gegen den Aktivisten gewesen. 2005 war Capalla bereits unter Terrorismusverdacht verhaftet worden. Erst nach einem Monat in Untersuchungshaft und nach internationalen Appellen wurde er freigelassen, eine Anklage wurde nicht erhoben. „Zuerst haben sie ihn mit erdichteten Anschuldigungen drangsaliert“, sagte Reylan Vergara, der Generalsekretär von Karapatan auf Panay. „Als das ohne Wirkung blieb, haben sie ihn ermordet.“

Wer fair gehandelte Produkte kauft, ist sich nur selten bewusst, dass er damit auch eine politische Entscheidung trifft. Er bezieht Position, wie auch die Handelspartner. Die Fair-Handelsgesellschaft Gepa zum Mord an Capalla: „Wir und unsere Partner gehen von einer sogenannten ,extralegalen Hinrichtung‘ aus. Angehörige von Polizei und Militär ermorden Bürger, Mitglieder der indigenen Bevölkerung und Kleinbauern – die Täter bleiben ohne Strafe.“ Für Anna Hirt vom Weltladen-Dachverband war die Ermordung Capallas ein „Angriff auf unsere Grundwerte“. Die Ravensburger Fairhandelsgenossenschaft dwp deutet die Morde „als gezielte Angriffe auf ihre erfolgreiche Arbeit für mehr soziale Gerechtigkeit auf der Insel Panay und den Philippinen“. Von einem „bewussten Angriff auf die Arbeit der PFTC“ sprach auch Rudi Dalvai, Präsident der World Fair Trade Organization WFTO.

Die Philippinen sind mitnichten das einzige Land, in dem sich Aktivisten des Fairen Handels in Lebensgefahr begeben. In Guatemala wurden in den letzten Jahren zwölf Gewerkschafter ermordet, die sich für faire Löhne für Bananenarbeiter engagiert haben. Als 2008 versucht wurde, auf den Großplantagen an der Pazifikküste Südguatemalas eine Gewerkschaft zu gründen, wurde der Generalsekretär der neuen Gewerkschaft ermordet und die Tochter eines anderen führenden Mitglieds vergewaltigt. Seitdem gibt es in dieser Region keine Organisation, die für Arbeitnehmerrechte eintritt.

Amnesty International berichtet regelmäßig von Morddrohungen gegen Arbeiterorganisationen, so werden in Kolumbien immer wieder Gewerkschafter ermordet. Im November 2013 wurde der Gewerkschafter Oscar López Triviño erschossen, der sich für die Rechte seiner Kollegen beim Nahrungsmittelkonzern Nestlé eingesetzt hatte.

„Natürlich ist es sehr belastend zu verfolgen, was in den Produktionsländern geschieht, während wir hier in Sicherheit sind“, sagt Anna Hirt vom Weltladen-Dachverband. Was man tun könne: die internationale Solidarität organisieren, für Aufmerksamkeit sorgen und die Organisation vor Ort mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu stärken. Im Falle der Morde in den Philippinen rufen mehrere Fair-Handels-Akteure die Verbraucher auf, Briefe an die philippinische Botschaft zu verfassen und die Aufklärung der Morde einzufordern. Und die Ravensburger dwp unterstützt mit Spenden ihrer Kunden den Bau einer zweiten unabhängigen Zuckermühle im Norden der philippinischen Insel Panay, um auch den dortigen Kleinbauern Zugang zum Fairen Markt zu verschaffen. Deren wichtigste Ware für den Fairen Handel ist neben Bananenchips der Rohrzucker.

Die philippinische Botschafterin in Deutschland, Maria Cleofe R. Natividad, erklärte in einem Schreiben, das der taz vorliegt, der Mord an Capalla sei aufgeklärt. Es habe sich um einen „Vergeltungsakt“ gehandelt. Capalla sei in den frühen 1980er Jahren Mitglied der kommunistischen New People’s Army (NPA) gewesen. Eine Splittergruppe habe ihren Führer rächen wollen, der im Dezember 2013 ermordet worden war. Tatsächlich wurde gegen einen Verdächtigen ermittelt, ein Gerichtsverfahren jedoch nicht eröffnet – angeblich mangels Zeugen.

Dieser Zusammenhang sei „abstrus“, findet Martin Lang von der Fairhandelsgenossenschaft dwp, der Capalla persönlich kannte. „Ein beeindruckender Mann, der durch seine Geradlinigkeit und sein bescheidenes Auftreten überzeugte.“ Seine Mitgliedschaft in der NPA sei bekannt gewesen, doch Capalla habe sich vor 30 Jahren von der Gruppe losgesagt. „Seitdem lebte er nur für den Fairen Handel.“

Gegen die offizielle Theorie spricht auch: Anderthalb Stunden nach dem Mord an Capalla wurde ein Brandanschlag auf die bislang einzige Zuckerrohrmühle der Kleinbauerngruppe verübt. Und kaum zwei Monate später gab es einen weiteren Toten. Diesmal war Dionisio Garete das Ziel, ebenfalls Mitglied der PFTC. Er kam von seinem Feld, als die tödlichen Schüsse ihn trafen. Von den Tätern fehlt jede Spur.

Diese Taten machen die politische Brisanz des Fairen Handels deutlich – und damit auch, dass die bundesweiten Faire Woche, die gestern begann (Seite 4), ein sehr ernst zu nehmendes Anliegen hat.

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