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Auf dem Weg nach unten

Gemeinsam rügen die vier bremischen Hochschulrektoren Sparvorgaben des Senats: Damit werde eine „Trendwende zum Schlechten“ eingeläutet, warnt Uni-Rektor Wilfried Müller

von Benno Schirrmeister

Mit entschiedenem Protest und in bemerkenswerter Eintracht haben sich gestern die Rektoren der vier bremischen Hochschulen zu Wort gemeldet. Der gemeinsame Zorn richtet sich gegen den vom SPD-Wissenschaftssenator vorgelegten Hochschulgesamtplan V (HGP V), der drastische Einbußen bedeutet: Im Vergleich zum zwei Jahre älteren HGP IV sollen 93 Millionen Euro weniger an Landesmitteln zur Verfügung stehen.

Damit schaffe der Entwurf „die Voraussetzungen für eine Trendwende zum Schlechten“, so der Vorsitzende der Hochschulrektoren-Konferenz, Uni-Chef Wilfried Müller. Schwerer als die materiellen Einbußen wiege das zu erwartende „Schwinden der Motivation“. Schon jetzt erbringe die Uni „überdurchschnittliche Leistung bei unterdurchschnittlicher Ausstattung“, sagte Müller mit Verweis auf die jüngsten Erfolge der Uni, etwa im Rahmen der Exzellenz-Inititiative. Mit der angedrohten Verschlechterung könne das erreichte Niveau nicht gehalten werden.

Bisher hatten sich vor allem Studierende und Personal der Bremer Uni durch Aktionen im Landtagswahlkampf Gehör verschafft – weil diese Einrichtung scheinbar den heftigsten Sparzwängen unterworfen ist. Tatsächlich aber kennt der HGP V keine Gewinner: So sagte Peter Rautmann, Rektor der zahlenmäßig kleinsten Einrichtung, der Hochschule für Künste, die vom Bildungssenator selbst anerkannte Mindestgröße von 72 Professuren sei in dem neuen Planungswerk auf 65 reduziert worden. „Und selbst von denen sind 20 Prozent nicht besetzt“, so Rautmann. „Das ist ein Skandal.“

Hochschulrektor Elmar Schreiber – der als einziger nicht explizit zur Groß-Demo am 8. Mai aufruft – sprach von einer „Fehlentscheidung“ der großen Koalition. „Damit wird die Zukunft des Landes verzockt“. Müller wies darauf hin, dass an den Hochschulen „das Minus zum planerischen Soll“ noch höher ausfalle als an der Uni.

Auf rund 30 Prozent lässt es sich in Bremerhaven summieren. Das würde „zu einem massiven Abbau von Studienplätzen führen“, so Josef Stockemer von der Hochschule am Meer – dessen Folgen wiederum für die Seestadt „überhaupt nicht absehbar“ wären. Schließlich trügen die Studierenden zum Stimmungsumschwung in Bremerhaven bei: 40 Prozent der 2.650 Immatrikulierten kämen nicht aus dem Lande Bremen und der Region – seien also zugezogen. „Das Haushaltsnotlageland kann doch nur gesunden, wenn auch seine schwächsten Glieder gestärkt werden.“

Dafür spricht auch, dass der Abbau von Studienplätzen finanziellen Schaden für das Land verursacht: Allein seit 2003 habe Bremen „über 8.200 Neubürger als Studienanfänger gewonnen“, heißt es im HGP V. Der Effekt in der Einwohnerwertung des Länderfinanzausgleichs: 24 Millionen Euro. Nach vorsichtiger Schätzung würde das Land durch den HGP V rund 3.000 Studienplätze verlieren – was fast zehn Millionen Euro entspräche. Auch der – überdurchschnittlich hohe – Anteil an Drittmitteln würde sinken: „Jemand, der 500.000 Euro für eine Stiftungsprofessur in die Hand nimmt“, so Schreiber, „macht das nicht, um Haushaltslöcher zu stopfen.“

„Deshalb haben wir lange gezögert, mit diesem Schreckensszenario an die Öffentlichkeit zu gehen“, so Müller. „Aber irgendwann ist es an der Zeit, die Wahrheit zu sagen.“

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