: Straßenkampf statt Callcenter-Service
Bei den Servicemitarbeitern der Telekom wächst der Frust. Auf der heutigen Hauptversammlung wollen Belegschaftaktionäre gegen Auslagerung von 50.000 Stellen protestieren. Am Freitag Entscheidung zu Urabstimmung über konzernweiten Streik
AUS DÜSSELDORF MORITZ SCHRÖDER
Seit einer Woche hält Christian Herzberg Stellung. Vor seinem Arbeitsplatz, einem Düsseldorfer Callcenter der Telekom, protestiert er gegen seine Chefs in Bonn. Und er weiß seine KollegInnen hinter sich: „Die meisten ziehen bei den Warnstreiks mit“, sagt der 44-Jährige, der schon zwanzig Jahre lang für die Telekom den Hörer abhebt, verärgerte KundInnen besänftigt und ihnen neue Telefontarife vorstellt. Dass er zurzeit weniger im Callcenter als auf der Straße aktiv ist, liegt an der Forderung der Telekom-Konzernführung. Die will wie Herzberg rund 50.000 Angestellte in drei neue Gesellschaften ausgliedern – inklusive Gehaltseinbußen und längerer Wochenarbeitszeit.
„Der Druck aus dem Vorstand ist unter den Mitarbeitern spürbar“, sagt Herzberg. Er berichtet von Mails, in denen sein Arbeitgeber beteuert, man wolle doch nur das Beste für die MitarbeiterInnen. „Gleichzeitig wird uns vermittelt, wir seien nur 60 Prozent dessen wert, was wir bisher verdienen“, ärgert sich der Streikposten. Er selbst ist seinen Chefs derzeit rund 1.400 Euro Netto im Monat wert. 1.274 wären es, wenn diese sich mit ihren Forderungen durchsetzen.
Neun Prozent weniger Gehalt und 38 statt 34 Stunden Arbeit in der Woche verlangen sie, um mit den günstigeren Marktpreisen anderer Callcenter mithalten zu können. „Diese Vergleiche gelten nicht“, sagt hingegen Herzberg. Andere Callcenter würden viel weniger beraten als die der Telekom und müssten mit weniger Informationsverarbeitungssystemen arbeiten als er. Herzberg kennt sich mit 15 solcher Systeme aus. „Statt die Gehälter zu senken, sollten lieber die Arbeitsstrukturen verbessert werden“, fordert er. Schon durch bessere Planung und Systeme könne der Service verbessert werden.
Interessanterweise setzte die Telekom noch vor drei Jahren sinkende Arbeitszeiten in den Callcentern durch: von 38 auf 34 Stunden pro Woche. Nur so könnten 10.000 Arbeitsplätze gesichert werden, wurde argumentiert. Auch damals war Verzicht angesagt: Weihnachts- und Urlaubsgeld wurden gestrichen.
Nun soll ein Großteil der Belegschaft wieder länger arbeiten. Die Auslagerung würde fast ein Drittel der 160.000 Telekom-Beschäftigten in Deutschland betreffen. „Vor allem die Alleinerziehenden unter uns haben jetzt echte Existenzängste“, sagt der Telefonist. Jüngere MitarbeiterInnen würden jetzt schon die ersten Bewerbungen für andere Betriebe schreiben, denn, „die Arbeitsmotivation hat gelitten“.
Inzwischen steuert Ver.di auf einen konzernweiten Streik zu. Am Freitag wird die große Tarifkommission voraussichtlich eine Urabstimmung zum Arbeitskampf beschließen. Schon heute will Ver.di den Telekom-Vorstand auf seiner Hauptversammlung unter Druck setzen. Rund 1.000 Belegschaftsaktionäre werden an der Versammlung teilnehmen.
Zudem ruft Ver.di Telekom-MitarbeiterInnen bundesweit zu Warnstreiks auf. In Berlin werden heute über 1.000 Beschäftigte auf einer zentralen Kundgebung erwartet. Gestern beteiligten sich bereits rund 2.000 Beschäftigte allein in Nordrhein-Westfalen an Warnstreiks. Auch Christian Herzberg protestiert weiter. Obwohl er weiß, dass Ver.di womöglich als Verlierer aus dem Konflikt hervorgehen könnte, sagt er entschlossen: „Ich bin bereit zum Streik.“
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