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Sag mir, wohin die Reise geht

VERKEHR Piratenfraktion fordert „sprechende“ Busse und Trams für Sehbehinderte und Analphabeten

Für U-Bahn-Nutzer ist es ein vertrauter Klang: Die Lautsprecherstimme verrät nicht nur den nächsten Halt, sondern sagt im Bahnhof auch die Richtung an, in die der Zug fährt. Das nutzt Blinden und Sehbehinderten, aber auch Analphabeten. An Bus- oder Tramhaltestellen aber fehlt bisher ein akustischer Hinweis. Jetzt macht sich die Piratenfraktion für Außenlautsprecher an den Fahrzeugen stark.

Damit greifen die Piraten eine alte Forderung von Behindertenverbänden auf. „Sprechende“ Trams und Busse gibt es bereits in Kassel, Erfurt und Schwerin. Der Antrag, den die Piraten dem Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vorgelegt haben, fordert den Senat auf, sich gegenüber der BVG für einen Pilotbetrieb einzusetzen – in Abstimmung mit behinderten Menschen und ihren Verbänden.

Piraten-Verkehrsexperte Andreas Baum macht sich keine allzu großen Hoffnungen, dass der Antrag im Plenum durchkommt. Man setze aber ein Zeichen für die Verwirklichung von Barrierefreiheit, sagt er. Die Möglichkeit, den ÖPNV selbstständig zu nutzen, sei für Menschen mit Sehbehinderung oder Leseschwäche ebenso wichtig wie für Körperbehinderte. Die bislang im Nahverkehrsplan formulierten und umgesetzten Maßnahmen zielten vor allem auf die stufenlose Erreichbarkeit von Bahnhöfen und Fahrzeugen ab.

Laut Baum experimentiert die BVG derzeit mit einer App als Lösung. Das sagt auch Berlins Behindertenbeauftragter Jürgen Schneider. Er gibt aber zu bedenken, dass gerade alte Menschen kaum Smartphones nutzen. Ein solcher Vorschlag bleibe auch künftig problematisch: „Im Alter haben viele einfach ein Problem mit der Motorik.“

Laut Schneider wurde das „Zwei-Sinne-Prinzip“ – hier: sicht- und hörbare Information – schon in den „Leitlinien zum Ausbau Berlins als behindertengerechte Stadt“ von 1992 gefordert. Diesbezüglich stehe die Umsetzung immer noch aus: „Prinzipiell wurde vieles erreicht, aber da ist eine Lücke, die geschlossen werden muss.“ Zumal nach aktuellen Prognosen im Jahr 2030 allein 268.000 Menschen in Berlin leben würden, die 80 Jahre oder älter seien.

Wohin die Fahrt geht, darüber wollen BVG und Verkehrsverwaltung nicht viel sagen. „Das ist noch nicht spruchreif“, so BVG-Sprecher Markus Falkner. Man nehme das Thema sehr ernst. Petra Rohland, Sprecherin der Verkehrsverwaltung, sagte, die BVG sei beauftragt, die Möglichkeit eines Versuchsprojekts zu prüfen.

CLAUDIUS PRÖSSER

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