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Sondermüll vom anderen Ende der Welt

22.000 Tonnen australischer Giftmüll sollen nach Brunsbüttel verschifft werden. Ein Teil soll dort verbrannt, der Rest durch Norddeutschland nach NRW transportiert werden. Umweltministerium Schleswig-Holstein prüft den Antrag

In 60.000 Fässern soll Giftmüll um die halbe Welt nach Norddeutschland reisen, um hier verbrannt zu werden. Ein entsprechender Antrag der australischen Regierung ist am Freitag im schleswig-holsteinischen Umweltministerium eingegangen „und wird jetzt von Experten geprüft“, erklärte dessen Sprecher Michael von Abercron gestern auf Anfrage der taz. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, sei noch offen.

Die Fässer enthalten rund 22.000 Tonnen hochgiftiges Hexachlorbenzols (HCB). Dieser Stoff gehört zum „Dreckigen Dutzend“ der zwölf giftigsten Substanzen, deren Herstellung inzwischen weltweit geächtet ist. In Australien fiel es früher bei der Produktion von Lösemitteln als Abfallprodukt an und lagert seit über zwei Jahrzehnten im Hafen von Sydney.

Die Hälfte der nach Norddeutschland zu verschiffenden Menge soll in der Sondermüllverbrennungsanlage Brunsbüttel verbrannt werden. Die weiteren etwa 11.000 Tonnen würden per Bahn durch Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen nach Nordrhein-Westfalen transportiert und dort an drei Standorten verbrannt werden.

Die australische Regierung hatte den Gift-Export am Wochenende beschlossen, da der fünfte Kontinent „keine entsprechenden Entsorgungsmöglichkeiten“ habe. Dies ist Voraussetzung für eine Ausfuhr. Die Verbrennungsverträge mit den deutschen Betreibern der Sondermüllöfen wurden bereits im vorigen Jahr geschlossen. Die Exportlizenz werde erteilt, erklärte das australische Umweltministerium, sobald die Einfuhrgenehmigung der deutschen Behörden vorliege.

Nach internationalen Vereinbarungen muss Australien nachweisen, den Giftmüll nicht im eigenen Land entsorgen zu können. Nur dann müssten die Lieferverträge mit den deutschen Firmen genehmigt werden. Nach Ansicht des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) gibt es allerdings keinen Genehmigungszwang.

Das habe die Generaldirektion Umwelt der EU in einem Schreiben an den BUND in Nordrhein-Westfalen bestätigt. Danach stehe den Umweltministerien in Kiel und Düsseldorf ein „Ermessenspielraum“ zu, ob sie „die Verbringung mit oder ohne Auflagen genehmigen oder die Genehmigung verweigern“, heißt es in dem Schreiben, das der taz nrw vorliegt.

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hat sich gegen eine Verschiffung des Giftmülls ausgesprochen: „Ich halte den Transport für unverantwortlich“, sagte er gestern der taz nrw. Die hochgiftigen Substanzen sollten besser am Entstehungsort beseitigt werden. Durch ein Rechtsgutachten will Uhlenberg nun prüfen lassen, ob er die Entsorgung in seinem Bundesland verhindern könne.

Ob Kiel sich diesem Vorgehen anschließt, ist offen. Man nehme erst mal den Antrag aus Australien unter die Lupe, sagte von Abercron, „dann sehen wir weiter“. SVEN-MICHAEL VEIT

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