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DAS UN-TRIBUNAL ZUM MORD AN HARIRI GEFÄHRDET DEN LIBANONParteiische Weltgemeinschaft

Auf den ersten Blick ist der Fall eindeutig: Der libanesische Ministerpräsident Rafik al-Hariri wurde vor zwei Jahren ermordet, und die Mörder sollen zur Rechenschaft gezogen werden. Der UN-Sicherheitsrat beschließt, auch ohne die Zustimmung des libanesischen Parlaments ein Internationales Tribunal einzusetzen, wenn sich die Libanesen in den nächsten zwei Wochen nicht doch einigen sollten. Die Weltgemeinschaft nimmt die Sache also selbst in die Hand.

Doch das ist weder ein gewöhnlicher Mord noch ein gewöhnliches Tribunal. Das zeigt schon allein die Uneinigkeit im Sicherheitsrat, in dem gleich zwei Vetomächte, Russland und China, sich der Stimme enthalten haben.

Denn die Resolution verschärft eine äußerst fragile Lage im Libanon. Das Land ist fast genau in der Hälfte politisch gespalten. Die vom Westen unterstützte Regierung Siniora und das von Hisbollah angeführte Oppositionsbündnis sind in einen Machtkampf verstrickt, in dem es bisher keinen Sieger gibt. Die Frage eines Internationalen Tribunals steht dabei im Kern der Auseinandersetzungen. Die Siniora-Regierung feiert das Tribunal als einen Sieg der Gerechtigkeit. Die Opposition fürchtet dagegen, dass ein politisiertes Tribunal nur ein interventionistischer Schachzug ist, die libanesischen Machtverhältnisse von außen gegen sie und ihre syrischen Verbündeten zu verschieben.

Nun hat sich der Sicherheitsrat in diesem Machtkampf auf eine der beiden Seiten gestellt. Ob er dem Libanon damit tatsächlich einen Gefallen getan hat, ist aber fraglich. Die Lage im Libanon ist fragil, die internationale Gemeinschaft darf sich nur behutsam einmischen. Hisbollah und die Opposition werden nicht machtlos zusehen, wie ihre politischen Gegner von außen gestärkt werden. Unausgegorene Machtfragen haben im Libanon schon einmal zu einem blutigen Bürgerkrieg geführt. Insofern hat der Sicherheitsrat die gefährliche Lage im Libanon mit seiner Resolution kaum beruhigt, sondern eher verschärft. Am Ende ginge dabei weder eine der widerstreitenden Parteien als Sieger hervor, noch wäre der Gerechtigkeit Genüge getan. KARIM EL-GAWHARY

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