: Hickhack um Jade-Weser-Port
Im Streit um den Bau des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven sind die Fronten weiter unklar: Nach einem Spruch der Vergabekammer behaupten beide Seiten, den Auftrag in der Tasche zu haben
von Klaus Wolschner und Kai Schöneberg
„Sehr zufrieden“ ist Jürgen Holtermann mit dem gestrigen Spruch der Vergabekammer in Lüneburg. Laut des Bremer Geschäftsführers der von Niedersachsen und Bremen gemeinsam gegründeten „JadeWeserPort-Realisierungsgesellschaft“ (JWP) hat die Papenburger Baufirma Johann Bunte in Lüneburg eine Niederlage erlitten. Die Vergabe des 480-Millionen-Bauauftrages an den Essener Bauriesen Hochtief sei korrekt, entschied das Gremium nach der Lesart Holtermanns, der auch Chef der Bremer Betreibergesellschaft Bremenports ist. Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) schloss sich an. Er sei zufrieden, dass die Vergabekammer die Vergabe-Entscheidung der JWP bestätigt habe: „Nach meiner Überzeugung sind damit die vergaberechtlichen Fragen des Tiefwasserhafens hinreichend geklärt.“ Der unterlegene Mitbewerber Bunte hatte das Nachprüfungsverfahren in Lüneburg beantragt.
Der Anwalt der Baufirma aus Papenburg sieht dagegen nach dem Spruch Hochtief als Verlierer: „So nah waren die noch nie am Abgrund“, sagt Ralf Leinemann. „Wir sehen uns als Sieger.“ Dann liest er aus der Lüneburger Entscheidung vor, die mit geschwärzten Firmendaten erst in den kommenden Tagen veröffentlicht wird: „Die Auftraggeberin“, also die JWP, „wird verpflichtet, erneut in die Auftragsvergabe einzutreten.“
Leinemann zufolge muss Hochtief nun klären, wie ein mehrere hundert Meter breites Hafenareal mit Sand aufgefüllt werden soll. Zum Bunte-Angebot gebe es einen „Unterschied von mehr als zehn Millionen Kubikmeter Sand“, sagt Leinemann. Das müsse ein neues „Prüfverfahren“ klären. Die noch drohenden juristischen Auseinandersetzungen dürften das Projekt um mehrere Monate verzögern, fürchtet Leinemann. Daran dürfte Minister Hirche nicht gelegen sein, der eigentlich im Herbst mit dem Bau des Prestige-Hafens beginnen wollte – rechtzeitig vor der Wahl im Januar.
Die Interpretation des Lüneburger Spruchs könnte nicht unterschiedlicher sein: Holtermann spricht nur davon, dass aufgrund der Auflagen der Kammer beim Hochtief-Angebot drei Punkte „nachgearbeitet“ werden müssten. Die JWP werde keinesfalls die Gebote für das Baulos neu bewerten. Nach seiner Lesart hat die Vergabekammer festgestellt, dass der Ermessensspielraum für die Entscheidung nicht überzogen wurde. Insbesondere sei die JWP nicht gezwungen gewesen, das „Sondergebot“ zu berücksichtigen, mit dem Bunte die Wasserbauten 50 Millionen Euro preiswerter realisieren wollte als die im Hafenbau erfahrene Firma Hochtief. „Jetzt besteht die Chance, den eingeschlagenen, ebenso rechtswidrigen wie anrüchigen Weg zu verlassen und alle Manipulationen zu beenden“, heißt es dagegen in einer Pressemitteilung von Bunte. Eine neue Entscheidung der JWP wird es aber nach den Äußerungen sowohl von Holtermann wie des niedersächsischen Wirtschaftsministers nicht geben.
Im April 2006 hatte Bremenports die Ausschreibung für die Betreibergesellschaft gewonnen. Damit dürfen die Bremer 40 Jahre lang den Tiefwasserhafen am Jadebusen für Containerschiffe mit großem Tiefgang betreiben. Mit der Firma Maersk ist die größte Reederei der Welt mit ins Boot geholt worden. Das dänische Unternehmen übernimmt 30 Prozent der neu gegründeten „Eurogate Containerterminal Wilhelmshaven GmbH“. Sie wird nicht nur ihre Schiffe nach Wilhelmshaven schicken, sondern sich auch an der Ausrüstung der Piers mit Containerbrücken, Verlade-Bahnhöfen, Schienen, Straßen und Gebäuden beteiligen.
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