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„Wir wollen keinen Friedhof“

Ein Mahnmal am Lohseplatz soll an die von dort deportierten Juden erinnern. Experten diskutierten gestern die Gestaltung des historischen Ortes. Ein Gespräch mit der Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden

STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM, 44, Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden.

taz: Frau Schüler-Springorum, ist es für ein Denkmal am Lohseplatz nicht viel zu spät?

Stefanie Schüler-Springorum: Natürlich. Aber das hängt mit der Entwicklung der Gedenkkultur in Deutschland zusammen. Andererseits: Wenn ein Denkmal von der Öffentlichkeit getragen wird, ist es nie zu spät. Allerdings muss man, wenn man fast 70 Jahre nach den Deportationen ein Denkmal errichtet, auch an Jahrzehnte des Schweigens erinnern.

Wie würden Sie ein Denkmal am Lohseplatz gestalten?

Da ich keine Künstlerin, sondern Historikern bin, würde ich Informationstafeln mit Fotos und Dokumenten aufstellen. Zu den Hamburger Deportationen gibt es allerdings wenig Material.

Warum?

Es wurde teils vernichtet, teils noch nicht gefunden. Es gibt Täterakten, aber die reichen nicht aus. Darüber hinaus existieren private Fotos von Deportierten. Von den Hamburger Deportationen haben wir bislang allerdings keine Fotos gefunden.

Das Lohseplatz liegt recht dezentral. Sollte man das Denkmal nicht besser an der Moorweide errichten, wo sich die Juden vor den Deportationen versammeln mussten?

Das schließt sich nicht aus. Zudem gibt es an der Moorweide bereits Gedenksteine. Der Lohseplatz ist ja erst im Zuge der Hafencity-Planungen ins Gespräch gekommen. Und da halte ich es für wichtig, auf die Bedeutung des Ortes hinzuweisen – zumal angedacht war, dort einen China-Garten zu errichten. Das halte ich für absurd. Inzwischen plant man, einen Park anzulegen, zu dem auch ein Spiel- und Fußballplatz gehören sollen. Dagegen habe ich nichts. Wir brauchen keine sakralisierten Gedenkorte.

Passt das zusammen: Fußball und Gedenken?

Der Fußballplatz wird nicht direkt neben dem Denkmal liegen. Geplant ist ein lang gestreckter Park mit verschiedenen Arealen. Aber es ist wichtig, dass ein Mahnmal mitten im Geschehen liegt. Und wenn Leute darauf herumlaufen, ist das auch eine Reaktion. Es nützt nichts, wenn man Denkmäler aufstellt, die nicht berührbar sind. Es sind ja keine Friedhöfe, sondern von der ehemaligen Tätergesellschaft geschaffene Erinnerungsorte.

Trotz allem ist die Hafencity ein künstlicher Ort, der Touristen anlocken und wohlhabende Menschen beherbergen soll. Wirkt da ein Holocaust-Mahnmal nicht deplatziert – oder so künstlich wie sein Ambiente?

Es ist so lange künstlich, wie es nicht von der Bevölkerung getragen wird. Aber das kann man im Vorhinein nicht wissen. Wenn sich diese Gesellschaft Gedenken im öffentlichen Raum leistet, muss sie ertragen, dass es nicht stromlinienförmig verläuft.

Ist aber Gedenken im öffentlichen Raum nicht überholt?

Ich halte es für sinnvoll – wenn es um antirassistische Jugendarbeit ergänzt wird. Die muss aber nicht am selben Ort stattfinden. Hier könnte man die Arbeit etwa der Gedenkstätte Neuengamme, der Landeszentrale für politische Bildung und der Geschichtswerkstätten ausweiten.

INTERVIEW: PETRA SCHELLEN

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