: Sarrazin glaubt an Wunder
Wird Berlin reich? Nun hält Finanzsenator Sarrazin (SPD) einen ausgeglichenen Haushalt schon dieses Jahr für möglich – und verspricht Geld für Unis und Gebäudesanierungen
Als es schien, als habe der Finanzsenator zum Haushalt nichts Neues mehr zu sagen, kam die Überraschung. Bei der Vorstellung des vom Senat beschlossenen Haushaltsentwurfs für 2008 und 2009 fragte ein Journalist Thilo Sarrazin (SPD), ob Berlin bereits 2007 auf neue Schulden verzichten könne. Die geheimnistuerische Antwort des Senators: „Ich bin da ein bisschen abergläubisch. Aber ich habe meinen Optimismus da schon zum Ausdruck gebracht.“ Kurz: Berlin nimmt dieses Jahr eventuell noch mehr Geld ein als in den jüngsten, überaus optimistischen Prognosen vorhergesagt.
Der Doppelhaushalt und die Finanzplanung des Senats bergen auch so etwas seit langem in Berlin nicht Gekanntes: mehr statt weniger Geld für viele Bereiche. Insbesondere die Wissenschaft soll davon profitieren. Bis 2011 will Rot-Rot 40 bis 50 Millionen Euro jährlich zusätzlich für die Hochschulen ausgeben. Statt der im Hochschulpakt mit den anderen Ländern vereinbarten 19.500 Studienanfängerplätze sollen in vier Jahren 1.000 Studierende mehr einen ausfinanzierten Platz vorfinden. Geld sollen auch die Hochschulen bekommen, die bei der sogenannten Exzellenzinitiative des Bundes trotz hervorragender Leistungen leer ausgegangen sind.
Weil während der vergangenen Jahre die Sanierung öffentlicher Gebäude und Einrichtungen liegen geblieben ist, soll nun dort wieder mehr investiert werden. Bis 2011 steuert das Land insgesamt 230 Millionen Euro zur Sanierung von Charité-Einrichtungen bei. Im selben Zeitraum erhält die marode Staatsoper 99 Millionen Euro. Schulen und Sportstätten sollen bis zum Ende der Legislaturperiode mit jährlich rund 41 Millionen Euro saniert werden.
Insgesamt gibt Berlin 2008 und 2009 je 20,6 Milliarden Euro aus. Der fürs kommende Jahr angepeilte Überschuss von 474 Millionen Euro soll größtenteils in die Reduzierung der Landesschulden fließen. Berlin hat rund 61 Milliarden Euro Schulden aufgehäuft. Die Stadt ist also nur aus dem Gröbsten raus, allein die Zinsen für die Schuldzinsen kosten das Land jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro. Deshalb bremste Berlins oberster Kassenwart eventuell keimende Hoffnungen auf stetig sprudelnde Geldquellen. Sarrazin warnte: Man wisse nie, wann der nächste Wirtschaftseinbruch kommt.
Für den kleineren Koalitionspartner freute sich Linke-Fraktionschefin Carola Bluhm über jeweils 25 Millionen Euro, die in den kommenden zwei Jahren zusätzlich in die Bezirke fließen sollen. Während Sarrazin zurückhaltend von einem „angemessenen Kompromiss“ sprach, zeigte sich Bluhm erleichtert: „Die Bezirke werden damit in die Lage versetzt, um auf in Aussicht gestellte Schließungen von Bibliotheken, Bürgerämtern oder Musikschulen zu verzichten.“
Den Grünen gehen die angekündigten Sanierungen nicht schnell genug. Berlin schiebe einen „Investitionsstau von 1,6 Milliarden Euro in den öffentlichen Gebäuden, Schwimmbädern oder Schulen“ vor sich her, kalkulierte ihr finanzpolitischer Sprecher Jochen Esser. Werde dort energiesparend saniert, bringe das obendrein den Klimaschutz voran und spare Geld.
MATTHIAS LOHRE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen