: „Politisch sehr unklug“
EUROPA-RAT Der frischgebackene EP-Abgeordnete Joachim Schuster (SPD) beantwortet Fragen zu TTIP
■ 52, Politologe, Sozial-Staatsrat a.D., wurde am 25. Mai über die SPD-Liste ins Europaparlament gewählt.
taz: Herr Schuster, wie erklären Sie beim ersten Heimspiel als Europaabgeordneter, dass das Parlament bei CETA, dem Freihandelsabkommen mit Kanada, nix, und bei dem mit den USA, TTIP, fast nix zu sagen hat?
Joachim Schuster: Bei TTIP ist das nicht so. Da wird es noch einen Konsultationsprozess geben, insbesondere zu den umstrittenen Schiedsgerichten (ISDS). Bei CETA liegt in der Tat ein Text vor, zu dem wir im Grunde nur noch Ja oder Nein sagen können.
Und Sie sagen Nein?
Der jetzige Text ist aus meiner Sicht nicht zustimmungsfähig – wobei das noch nicht die endgültige Fassung ist und auch die Übersetzung fehlt: 1.500-Seiten Handelsrecht-Englisch, das fange ich gar nicht erst an, zu prüfen…
Sie hatten Ihre Skepsis bezüglich CETA schon in Ihrer ersten Wortmeldung im EP artikuliert – auch bezogen auf den Sperrklinken-Effekt, also das Verbot beispielsweise von Re-Kommunalisierungen?
Ja, und das muss man auch prüfen. Es scheint allerdings, als klammere das Abkommen die Daseinsvorsorge an zwei Stellen ausdrücklich aus, und es formuliert auch Hinweise auf den staatlichen Regulierungsanspruch: Wenn sich das bestätigt, wäre diese Problematik deutlich entschärft.
Und wenn nicht?
Dann wäre das Abkommen wohl aus sozialdemokratischer Sicht geplatzt. Für mich wäre es so nicht zustimmungsfähig.
Das gäbe aber Zoff: Kanzlerin Angela Merkel hat in Brisbane mächtig Druck gemacht, dass es voran geht mit TTIP – und auch Vizekanzler Sigmar Gabriel scheint dem Protest gegen ISDS wenig abzugewinnen…
Das müssen Sie Sigmar Gabriel fragen. Die Bevölkerungsmehrheit aber ist in Deutschland bei ISDS sehr skeptisch.
Bloß verbittet sich die Kommission deren Einmischung…
Sie hat das europäische Volksbegehren als Instrument nicht zugelassen: Ich halte das politisch für sehr unklug. Damit stachelt die Kommission den Protest eher noch an. INTERVIEW: BES
BürgerInnen fragen – Joachim Schuster antwortet: 18.30 Uhr, Europapunkt
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