: Mit ramponiertem Leumund
Nordenhams suspendierter Bürgermeister Georg Raffetseder (CDU) muss sich ab heute vor dem Landgericht Oldenburg verantworten: Versuchte Erpressung und Bestechlichkeit lauten die Vorwürfe
Bestechlichkeit wird meist mit einer Geldstrafe geahndet. Erpressung liegt laut Strafgesetzbuch vor, wenn jemand „einen Menschen zu einer Handlung nötigt“ und sich dadurch bereichert. Auch der Versuch ist strafbar. Darauf steht Freiheitsstrafe von „bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe“. Allerdings müsste ein „besonders schwerer Fall“ vorliegen, damit die „Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“ liegen darf: Das kann im Fall Raffetseder ausgeschlossen werden. Also würde sogar ein vollständiger Schuldspruch nicht heißen, dass er den Dienst quittieren muss: Nach Beamtenrecht erfolgt erst bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr die unehrenhafte Entlassung. TAZ
von BENNO SCHIRRMEISTER
Vielleicht ist Georg Raffetseder Opfer einer Verschwörung. „Es ist schon sehr viel Hatz dabei“, sagt sein Verteidiger Dietrich Hartwich. Heute beginnt vorm Landgericht Oldenburg der Prozess gegen den ersten hauptamtlichen Bürgermeister von Nordenham. Die Vorwürfe gegen den CDU-Politiker lauten versuchte Erpressung und Bestechlichkeit. In den lokalen Medien hat Hartwich eine „massive Vorverurteilung“ seines Mandanten beobachtet. Womit er nicht falsch liegt. Allerdings: Dazu hat Raffetseder einiges beigetragen.
Diesmal wird dem 43-Jährigen zur Last gelegt, er habe 10.000 Euro vom Chef einer örtlichen Immobilien-Firma gefordert, um den Bebauungsplan in dessen Sinne zu ändern. Als „sehr glaubwürdig“ hat die Staatsanwaltschaft Oldenburg den Hauptbelastungszeugen im aktuellen Verfahren eingestuft. Das ist der Unternehmer, dem der vorläufig suspendierte Bürgermeister Ende Januar seine unübliche Forderung unterbreitet haben soll – im Nordenhamer Rathaus. Außerdem ist er Ehemann der aktuellen Lebensgefährtin des Bürgermeisters.
Anfänglich hatte Raffetseder deshalb versucht, den Vorgang ins Private zu wenden: Eine Rache des gehörnten Gatten, man weiß ja wie die sind. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft nach dem ersten Hinweis ein weiteres Treffen aufgezeichnet: Am 16. Februar hat es stattgefunden, direkt am fraglichen Grundstück, und laut Staatsanwaltschaft hat Raffetseder seine Forderung bekräftigt. „Es wird vor dem Termin keine Erklärung über die Verteidigungsstrategie geben“, sagt Anwalt Hartwich. Diesmal schaut es wirklich nicht gut aus für Georg Raffetseder.
Sonst war es meist glimpflich abgelaufen, wenn der ins Visier der Staatsanwaltschaft geriet: Die Unregelmäßigkeiten beim Leasing eines Autos im Sommer 2005 – daraus ließ sich kein Strick drehen, und dafür dass ein Steuerbescheid für seinen Privatwagen an die Stadtverwaltung gerichtet war, konnte er möglicherweise nichts. Beide Verfahren wurden eingestellt. Und noch nicht spruchreif ist die Sache mit der Gemeinnützigen Nordenhamer Siedlungsgesellschaft: Dort sitzt der Bürgermeister qua Amt im Aufsichtsrat. Und die Staatsanwaltschaft hat Anhaltspunkte, dass er von seinem Insiderwissen zum eigenen Nutzen Gebrauch gemacht hat. Verurteilt worden ist Raffetseder während seiner Amtszeit nur einmal: Als er in deren Abwesenheit aus dem Haus seiner Ex-Frau Wertsachen abtransportieren ließ, ohne sie vorher darüber informiert zu haben. Unterschlagung, also Geldstrafe erkannte das Gericht.
Raffetseders Leumund ist reichlich ramponiert, und die jüngste Entwicklung hat ihn nicht verbessert. Anwalt Hartwich spricht von einer „Frage der Existenz“ für seinen Mandanten: Gerade kursierte das Gerücht, Raffetseder habe Hartwichs Vogänger durch die Stadtkasse entlohnen lassen – dabei sei es doch nur „um einen Gehaltsvorschuss“ gegangen, den der Bürgermeister brauchte, um das Honorar zu zahlen. „Ein völlig unverdächtiger Vorgang“, so Hartwich. Nur warum wollen alle dem Mann aus Vechta so böse? Wer könnte eine solche Kampagne inszenieren?
Als 2003 der in Nordenham damals völlig unbekannte Diplom-Rechtspfleger und promovierte Betriebswirt im ersten Wahlgang zum Bürgermeister gewählt wurde, war das eine politische Sensation: Nordenham ist seit jeher sozialdemokratische Hochburg, Raffetseder Christdemokrat. Dass er die Mehrheit im Rat von Anfang an gegen sich hatte, ist ein Fakt. Dass sich das bei den Kommunalwahlen 2006 nicht geändert hat, allerdings auch: Nach drei Jahren zog der Bürgermeister Bilanz und bekannte, es sei in Nordenham „nichts bewegt worden“.
Schuld daran sei aber nicht er, so inszenierte sich Raffetseder schon da als Mobbing-Opfer, sondern die SPD: Als Gipfel der Attacken gegen seine Person wertete er, dass die Mehrheitsfraktion „Akteneinsicht gefordert“ habe, „obwohl der Rechnungsprüfer der Stadt alles durchgesehen hatte“.
Momentan halten sich die Ratsmitglieder zurück mit Stellungnahmen. Die Sozialdemokraten sagen nichts Böses. Und auch die CDU-Ratsherren schweigen: „Das ist so vereinbart, da bitte ich um Verständnis“, sagt Renke Lüttke (CDU), der momentan die Sitzungen leitet. Auch Solidaritätsadressen werden nicht abgegeben.
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