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Keine neuen Mietobergrenzen

Die Sozialdeputation nahm gestern den Vorschlag der Sozialsenatorin, die Mietobergrenzen von 265 auf 310 Euro zu erhöhen, lediglich zur Kenntnis. Eine Entscheidung soll im Oktober fallen

von EIKEN BRUHN

Nein, diskutieren wollten die Protestler über die Mietobergrenzen nicht mit den Abgeordneten. Dabei hatten die ihre Sitzung extra aus dem Siemens-Hochhaus in die Bürgerschaft verlegt, damit 20 Demonstrierende mit hinein gepasst hätten in den Sitzungssaal. „Alle oder niemand“, sagte Herbert Thomsen von der Sozialberatungsstelle Solidarische Hilfe.

Außerdem gebe es nicht mehr viel zu reden: Er wolle Taten sehen. Schließlich hätten SPD und Grüne versprochen, die Mietobergrenzen für Hartz IV-Leute „drastisch“ zu erhöhen. Auf diese Weise müssten sich weniger Menschen eine neue Bleibe suchen, weil die alte für die Behörde zu teuer ist. Vor allem bei den Alleinstehenden hatte dies zu Problemen geführt. Das Sozialressort hatte selbst eingeräumt, dass es in Bremen kaum Wohnungen gibt, bei denen der Mietzins unter den geforderten Höchstsätzen liegen. „Was drastisch bedeutet – darüber kann man streiten“, sagte gestern Horst Frehe, sozialpolitischer Sprecher der Grünen. Die neue Obergrenze von 310 Euro für eine Einzelperson seien schon „ganz ordentlich“. Vor drei Wochen hatte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter vorgeschlagen, den alten Höchstsatz von 265 Euro um 45 Euro zu erhöhen – und dafür bereits Kritik von CDU-Fraktion und Handelskammer einstecken müssen, die das für zu viel halten. Gestern sollte sich die Sozialdeputation mit diesem Vorschlag befassen.

Beschlossen wurde allerdings noch nichts: Die Fraktionen von SPD und Grünen wollen noch mehr herausholen und greifen damit die Kritik der Sozialverbände auf. Die hatten darauf hingewiesen, dass sich die Situation zwar für Alleinstehende verbessere, alle anderen aber eine Verschlechterung in Kauf nehmen müssen, wie Thomsen von der Solidarischen Hilfe vorrechnete. Einer fünfköpfigen Familie werden monatlich 38,50 Euro weniger anerkannt, einer siebenköpfigen gar 66,50.

Der sozialpolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Grotheer, lobte die Sozialsenatorin dafür, die Obergrenzen in acht höherpreisigen Stadtteilen um bis zu 20 Prozent über jene anderer Stadtteile anzusetzen. „Das ist vernünftig, weil damit Getto-Bildung vermieden werden kann“, so Grotheer. Thomsen will das nicht gelten lassen, schließlich sei nur ein Fünftel der Leistungsbezieher davon betroffen. Er forderte eine Angleichung an den Satz von 325 Euro in Hannover. Aus den Reihen der Abgeordneten wurde als Höchstsatz die Zahl von 345 Euro genannt.

Wieviele Personen in Bremen umgezogen sind, weil ihre Miete über den amtlichen Bemessungsgrenzen lagen, ist unklar. Dazu aufgefordert wurden etwa 6.500 Haushalte, von denen 200 bereits die Zuweisungen gekürzt wurden, weil sie der Aufforderung nicht nachgekommen sind. Das Problem, so Thomsen, seien auch weniger die so genannten Zwangsumzüge, weil die meisten eher eine Kürzung der Zuwendung in Kauf nähmen als einen Umzug. Familien würden dann in zu kleinen Wohnungen bleiben – „da werden die Kinder gestapelt“. Vor allem von alleinerziehenden Frauen höre er immer wieder, dass sie keine eigenen Zimmer hätten, sondern zugunsten der Kinder im Wohnzimmer schlafen würden.

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