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Fördern statt fallen lassen

Der Jugendgerichtstag warnt davor, junge Intensivtäter einfach wegzusperren. Anlass zu Aktionismus bestehe nicht: Die Kinder- und Jugendkriminalität geht deutlich zurück

FREIBURG taz ■ Der Staat dürfe auch jugendliche „Intensivtäter“ nicht einfach fallen lassen. Das ist die zentrale Forderung des Jugendgerichtstags, der am Wochenende mit 750 Teilnehmern in Freiburg begann. „Wir müssen es aushalten, dass manche junge Menschen länger brauchen, bis ihnen eine soziale Integration gelingt“, forderte der Hamburger Strafrechtsprofessor Bernd-Rüdeger Sonnen. Er ist Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ), die die Tagung organisiert.

„Fördern, Fordern, Fallenlassen“ lautet das Motto des Jugendgerichtstags, das manche im Vorfeld als „resignativ“ kritisiert hatten. Aber genau gegen die Resignation, die zur Ausgrenzung und zum bloßen Wegsperren „mehrfach auffälliger“ Jugendlicher führen kann, wollten die DVJJ protestieren.

Unterstützung signalisierte Alfred Hartenbach (SPD), der Justizstaatssekretär der Bundesregierung: „Wir sind gegen den zunehmenden Djangoismus im Jugendstrafrecht.“ Das Justizministerium lehne die vom Bundesrat geforderte Verschärfung des Jugendstrafrechts ab. Wichtiger sei, dass die Jugendhilfe bei gefährdeten Jugendlichen früher mit sozialarbeiterischen Maßnahmen eingreife. Einen Gesetzentwurf, der dies fördert, hatte Ministerin Zypries erst vor wenigen Wochen vorgelegt.

„Mit nichts kann die Polizei schlechter umgehen als mit sinkenden Kriminalitätsziffern“, sagte der Tübinger Kriminologe Hans-Jürgen Kerner in seinem Eröffnungsvortrag. Er verwies darauf, dass die Kinder- und Jugendkriminalität seit 1998 stark rückläufig ist – bei den nicht unter 14-Jährigen sogar um ein Drittel. Grund für gesetzgeberischen Aktionismus bestehe also nicht. Die meisten jugendlichen Täter würden ohnehin nur einmal im Leben polizeilich auffällig. Der Jugendgerichtstag endet am Dienstag. CHR

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