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Auf die Realitäten reagieren

Zwar will nun auch der SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann die Hartz IV-Regelungen überarbeitet sehen. Für die soziale Spaltung in Hamburg aber macht er den hier regierenden CDU-Senat verantwortlich

Der SPD-Spitzenkandidat für die kommende Bürgerschaftswahl, Michael Naumann, lobt Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder für die Agenda 2010 – und will die Hartz IV-Gesetze dennoch überarbeiten. „Jede große Reformmaßnahme muss fortwährend mit den Realitäten abgeglichen werden“, begründet er in einer sechs Punkte umfassenden Erklärung vorsichtig, warum er den Regelsatz für Kinder erhöhen und den Bezug von Arbeitslosengeld I verlängern will. Reformen seien „für die Menschen da, nicht gegen sie“, so Naumann.

Damit schwenkt der Ex-Bundesminister auf die Linie von SPD-Bundesparteichef Kurt Beck ein, der eine Reform der umstrittenen Agenda angemahnt hatte. Das haben vor Naumann schon die SPD-Landesvorsitzenden der norddeutschen Länder Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein getan (taz berichtete). Auch der Hamburger SPD-Spitzenkandidat verlangt nun, der Gesetzgeber müsse den Lebensunterhalt für Familien mit Kindern neu festlegen. Außerdem sollten Beschäftigte im Alter von über 45 Jahren bis zu zwei Jahre ALG I beziehen können.

Dass die Agenda 2010 nun überarbeitet werden könne, begründet Naumann mit ihren Erfolgen: Der „gegenwärtige Konjunkturaufschwung und der erfreuliche Abbau der Arbeitslosigkeit“, behauptet der SPD-Spitzenkandidat, stünden „im unbestreitbaren Zusammenhang“ mit der Agenda und überhaupt der Politik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Die finanziellen Grenzen, vor denen der Sozialstaat bei Einführung von Hartz IV gestanden habe, bestünden aber weiterhin.

Dass trotz der hochgelobten Agenda in Hamburg eine soziale Schieflage entstanden ist, schreibt Naumann indes nicht seinem Freund Schröder zu, sondern der regierenden CDU: Der fehle der Blick für die sozialen Realitäten. Der Senat von Bürgermeister Ole von Beust liege falsch mit der Behauptung, Kinder könnten von 2,56 Euro täglich gesund ernährt werden. Zudem sei der massenhafte Missbrauch der 1-Euro-Jobs durch Arbeitgeber befördert und die Arbeitsmarktpolitik auf ein Minimum kurzfristiger Trainingskurse reduziert worden. Naumann versprach, die Ausgaben für berufsbildende Maßnahmen erhöhen zu wollen. Zudem sprach er sich für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro aus. ee

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