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Das große Palaver der großen Kontrahenten

FRIEDEN Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird der Ukraine-Konflikt im Mittelpunkt stehen. Gegendemonstration geplant

Im letzten Jahr warb Joachim Gauck für mehr deutsches „Engagement“ in der Welt

VON HELKE ELLERSIEK

BERLIN taz | US-Außenminister John Kerry, sein russischer Amtskollege Sergei Lawrow, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und zum ersten Mal seit Jahren auch Bundeskanzlerin Angela Merkel werden dabei sein: In München treffen ab heute wieder die Protagonisten der derzeitigen internationalen Konfliktherde aufeinander.

Die Münchner Sicherheitskonferenz, Anlaufstelle für einflussreiche Außen- und Sicherheitspolitiker und Militärs, findet zum 51. Mal statt. Ort des Geschehens ist wie immer das Hotel Bayrischer Hof, das Programm des Wochenendevents wird bestimmt von den aktuellen Krisen: Ukraine, Kampf gegen den IS, Flüchtlingsströme, Cyberkrieg.

Während der Konferenz gibt es üblicherweise Gegenveranstaltungen. Ein Bündnis aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Aktivisten ruft zusammen mit Bundestagsmitgliedern der Linkspartei zu Protesten auf. In ihrem Aufruf kritisieren die Organisatoren die Sicherheitskonferenz als eine Versammlung von Nato- und EU-Machteliten, die sich dort über „Strategien zur Aufrechterhaltung ihrer globalen Vorherrschaft und über gemeinsame Militärinterventionen“ verständigten. Allerdings sind auch Vertreter von Greenpeace, Amnesty International und Human Rights Watch unter den Gästen.

Trotzdem ist der elitär-militärische Charakter der Konferenz nicht von der Hand zu weisen: Was nicht nur an den zahlreichen Nato-Funktionären, darunter Generalsekretär Jens Stoltenberg, liegt, die anwesend sein werden. Im letzten Jahr hatte Bundespräsident Joachim Gauck die Gelegenheit und das Podium genutzt, für mehr „Engagement“ Deutschlands in der Außenpolitik zu werben – „Kriegseinsätze und Waffenexporte“ hätte ja auch nicht so sehr nach Menschenrechten geklungen. Auch dieses Jahr dürften die anwesenden Vertreter von Rüstungsindustrie und Sicherheitspolitik wieder in solchen Euphemismen schwelgen.

Daran, dass Deutschland bereits drittgrößter Waffenexporteur ist, wird das wohl genau so wenig ändern wie die Anwesenheit einiger weniger Linkspartei-Abgeordneten.

Alexander Neu, der für die Fraktion als Obmann im Verteidigungsausschuss sitzt, wird als Teilnehmer der Konferenz und gleichzeitig als Gegendemonstrant erscheinen. Er hatte letzte Woche in einem YouTube-Video dazu auffordert, gemeinsam gegen die „Kriegstreiber in der Sicherheitskonferenz“ zu demonstrieren.

Der frühere deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger, der die Konferenz ausrichtet, hatte daraufhin dem „betreffenden Abgeordneten“ zu einem Aufenthalt in der Jugendherberge geraten. Neus Konter: Er komme der Aufforderung gerne nach, „unter der Bedingung, dass er gemeinsam mit mir dort nächtigt“.

Wie in den Jahren zuvor wird auch der Liedermacher und bekennende Pazifist Konstantin Wecker an der Gegendemonstration teilnehmen und auf der geplanten Kundgebung auftreten. Er findet es in Ordnung, dass Vertreter von Linkspartei und Organisationen wie Amnesty an der Konferenz teilnehmen, die er als „Waffenhändlertreffen“ bezeichnet. „Es ist nicht mehr als Augenwischerei“, meint er zwar, „aber es ist gut, dass sie dabei sind.“ Er selbst würde auch gerne die Gelegenheit nutzen, sich „einzuschleichen, um zu hören, was da zwischen den Reden so besprochen wird“.

4.000 Polizisten sind das Wochenende über im Einsatz, um die Innenstadt zu sichern. Das dürfte etwas übertrieben sein: Die Gegendemonstranten werden seit Jahren weniger, hat auch Wecker beobachtet.

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