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Verspielen Quoten-GegnerInnen die Zukunft?JA

MACHT Die 30 Dax-Konzerne haben sich verpflichtet, mehr Frauen in Chefsessel zu bringen. Allerdings gilt das nur für das mittlere Management

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Die sonntazfrage wird vorab online gestellt. Immer ab Dienstagmittag. Wir wählen eine interessante Antwort aus und drucken sie dann in der sonntaz. www.taz.de/streit oder www.facebook.com/taz.kommune

Barbara Unmüßig, 55, ist seit 2002 im Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Die Macht, teilzuhaben. Darum geht es. Und ohne harte Quote geht es nirgendwo. Im Vergleich zu vielen anderen Ländern ist Deutschland ohnehin Entwicklungsland. Ohne Quote verschenkt Deutschland das Potential bestqualifizierter Frauen. Gesellschaftlich und betriebswirtschaftlich ist das blanker Wahnsinn, Zukunft verspielt, ja. Wir wissen ja längst, dass eine „kritische Masse“ von Frauen Betriebsklima und Entscheidungen verändern kann. Beispiele gibt es genug, etwa die Aufsichtsräte in Norwegen. Daimler-Chef Zetsche, BMW-Vorstand Krüger und Co können weiter „Männerförderung“ betreiben, statt endlich zu fragen, ob die richtigen Männer auf ihren Posten sitzen. Die Wirtschaft hat die Politik fest im Griff. Welch Armutszeugnis, dass Frauenministerin Schröder aus zehn erfolglosen Jahren freiwilliger Selbstverpflichtung nichts gelernt hat. Und auf ihre gewonnene Wette verweist – dass sich kein Unternehmen trauen würde, einen Frauenanteil von unter zehn Prozent an Führungspositionen anzubieten. Denn selbst von der „Flexi-Quote“ sind künftig die Vorstände und Aufsichtsräte ausgenommen. Um verkrustete Denk- und Selektionsmuster aufzubrechen und Frauen gleichen Zugang zu allen Positionen zu verschaffen, reicht keine Bauchpinselung der Wirtschaft durch die Politik. Es braucht Ansagen.

Doris Buchholz, 52, ist seit letztem Jahr Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen

Die Frage, ob man Frauenquoten braucht, hätte ich vor einigen Jahren mit einem entschiedenen Nein beantwortet. Doch die Erfahrung hat mich eines Besseren belehrt. Trotz freiwilliger Selbstverpflichtung stagniert der Anteil von Frauen in Führungspositionen seit Jahren. Dass erst politischer Druck die Unternehmen dazu brachte, sich mit dem Thema zu beschäftigen, beweist: Ohne Sanktionen wird es keine Änderung geben. Besonders junge Frauen denken, es ginge ohne, und wehren sich gegen die Quote. Spätestens wenn Kinder kommen, sie zu Unterbrechungen ihrer Beschäftigung gezwungen werden, merken sie, wie subtil sich eine Unternehmenskultur mit männlich geprägten Strukturen auf ihre Karriere auswirkt. Leider hilft ihnen dann eine Quote auch nicht mehr.

Birgit Mock, 41, ist Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes

Ich bin selbst „Quotenfrau“ in einigen gesellschaftlichen und kirchlichen Gremien und meine: Besser als Quotenfrau drin als gar nicht! Immerhin ist die Hälfte der Bevölkerung weiblich. Leider zeigen alle Anstrengungen, die die Entscheidung über den Frauenanteil in Leitungsgremien dem freien Willen der Verantwortlichen überlassen, keinen nennenswerten Erfolg. Der Katholische Frauenbund setzt sich daher seit Jahren für Frauenquoten ein – in Kirche, Politik und Wirtschaft – und fordert eine gesetzliche Quote von fünfzig Prozent. Gleichberechtigung muss mehr sein als ein Wort oder eine freiwillige Verpflichtung, von der man sich freikaufen kann.

Gabriele Plaha, 47, hat die sonntaz-Frage auf der taz-Facebook-Seite kommentiert

Wir leben in der sogenannten Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. In einflussreichen Bereichen, wo es um Macht und Geld geht, werden Frauen nach wie vor hingehalten. Ich finde es unverständlich, warum sich Frauen alles erkämpfen müssen und nicht all das in Anspruch nehmen können, das Männer in Anspruch nehmen – mit einer Selbstverständlichkeit. Wenn es nicht anders geht, ja, dann muss die Frauenquote kommen. Anders verstehen die Männer das offenbar nicht. Vielleicht ist das dann in circa zwanzig Jahren kein Thema mehr. Ich setze auf den guten Menschenverstand – was nicht (immer) funktioniert. Wir Menschen brauchen Gesetze. Freiwillig geht das nicht. Schade eigentlich.

Nein

Marie-Christine Ostermann, 33, ist Aufsichtsrätin und leitet „Die Jungen Unternehmer“

Ich bin gegen jede Form von gesetzlicher Frauenquote, egal ob einheitlich oder flexibel. Die Quote ist letztendlich kontraproduktiv und stellt vor allem Schaufensterpolitik dar. Das Ziel, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen, ist zwar richtig. Aber die Quote ist der falsche Weg dorthin. Die Politik macht es sich da zu leicht. Entscheidend sind bessere Rahmenbedingungen: mehr Kitaplätze, mehr Ganztagsschulen und mehr Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen. Ich spreche immer wieder mit Unternehmern, zum Beispiel im Maschinenbau, die sagen: Es gibt zu wenig Frauen unter den Bewerbern. Die Frauenquote lädt förmlich dazu ein, qualifizierte Frauen zu Quotenfrauen abzustempeln. Ich bin häufig in Talkshows zu Wirtschaftsthemen, und nach einer Sendung sagte mir mal jemand, ich sei nur die Quotenfrau in der Runde gewesen. Das ist natürlich Unsinn, weil es bei komplexen Themen ja vor allem auf die Kompetenz ankommt. Aber solche platten Vorwürfe würden durch eine Quote noch befeuert. Nicht zuletzt sind aber auch wir Unternehmer in der Pflicht. Wir brauchen flexible Arbeitszeiten und wir brauchen Männer, die den Mut haben, für ihre Kinder zu Hause zu bleiben. Und noch etwas: Frauen müssen auch dafür brennen, Führungspositionen zu erreichen. Manche geben leider zu schnell auf.

Nicole Bracht-Bendt, 52, frauenpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag

Natürlich nicht. Per Zwangsinstrument Quote aus der Schieflage herauszukommen, halte ich für falsch. Wenn sich ein Unternehmen selber eine Zielvorgabe gibt, ist das etwas anderes. Das finde ich gut. Beim Wettkampf um Fachkräfte wird das Attribut Frauenfreundlichkeit sicherlich ein gutes Kriterium. Wichtiger als das Thema Quote ist die Frage, wie es mehr Frauen in den Unternehmen nach ganz oben schaffen. Bereits ab dem mittleren Management sind Frauen auch gemessen an dem Anteil der Beschäftigten mit gleicher Qualifikation unterrepräsentiert. Gut ausgebildete junge Frauen müssen von Anfang an beruflich stärker gefördert werden, damit sie später in Führungspositionen bis hinauf zur Unternehmensspitze und in den Aufsichtsräten wirken können. Was wir brauchen, sind familienfreundlichere Strukturen am Arbeitsplatz und flexiblere Arbeitszeitmodelle. Die Präsenzkultur muss eine andere werden, die Norweger sind da vorbildlich. Das stärkt nicht nur die Mütter, sondern auch Väter, die mehr Zeit für die Familie haben wollen. Ganz wichtig ist, dass schon früh Mädchen motiviert werden, dass es neben klassischen Frauenberufen ganz andere Möglichkeiten für sie gibt, in denen Frauen Spaß und Erfolg im Beruf haben können.

Michael Wenge, 50, Hauptgeschäftsführer der IHK Wuppertal-Solingen-Remscheid

Quotengegner verspielen unsere Zukunft nicht. Dass die Politik Druck ausübt, verstärkt und vehement die Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft fordert, ist natürlich zu befürworten. Aber die Wirtschaft funktioniert auch ohne Quote. Erstens ist es egal, ob ein Mann oder eine Frau einen bestimmten Posten beansprucht – wichtig ist doch lediglich, dass der oder die Bessere ihn bekommt. Zweitens gibt es in bestimmten Ressorts bereits einige Frauen in hohen Positionen, insbesondere auf der mittleren Führungsebene. Drittens brauchen wir eine kreative und flexible Wirtschaft. Starre Regeln nützen da gar nichts. Vielmehr benötigen wir andere Bedingungen. Familientauglichere Arbeitszeiten sollten geschaffen werden, die Frauen nicht länger dazu zwingen, von morgens bis abends am Schreibtisch zu sitzen, obwohl sie eigentlich ihre Kinder aus der Schule abholen müssten. Für eine intensivere Kinderbetreuung, möglicherweise auch am Arbeitsplatz, sollte gesorgt werden. Und nicht zuletzt sollte künftig debattiert werden, ob Führungspositionen auch mit einer Teilzeitbeschäftigung ausgeübt werden können – eine Möglichkeit, der man sich nicht verschließen, sondern die man einfach mal ausprobieren sollte.

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