: Die grünen Braunen
Im Geist der Siedlungsbewegung „Artamanen“ haben sich Rechtsgesinnte in der Mecklenburgischen Schweiz niedergelassen. Dort halten sie offensiv Öko hoch – ganz im Sinne völkischen Gedankenguts
Der Name „Artamanen“ ist indogermanisch und bedeutet „Hütter der Scholle“. In den zwanziger Jahren zogen mehrere tausend junge Menschen rechter Gesinnung von der Stadt auf’s Land. 1923 entstand der „Bund der Artam e.V“ um Willibald Hentschel, der in landwirtschaftlichen Produktionsstätten eine „neue völkische Oberschicht“ aufbauen wollte. Als Siedler sollten sie autarke Gemeinschaften aufbauen und zugleich einen Wall gegen polnische Saisonarbeiter bilden. 1927 übernahm NSDAP-Mitglied Hans Holfelder, später SS-Standartenführer, den Vorsitzt. Das Führerprinzip und die Blut-und-Boden-Ideologie zog auch SS-Reichsführer Heinrich Himmler, Reichsbauernführer Walther Darré und Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß an. 1934 wurde der Bund als kooperativ in die Hitler-Jugend aufgenommen. AS
VON ANDREAS SPEIT
Freundlich grüßt Jan Krauter vom Trecker. Drei Jungs spielen vor der Scheune, die nur über einen Sandweg zu erreichen ist. „Gern zeige ich Ihnen die Schmiede“, sagt Krauter und öffnet die Scheune: Ein mit Naturmaterialien renovierter Raum, an dem eine Buchbinderei angeschlossen ist. Feine Schmiedekunst, Klingen, aber auch Kerzenständer, sind ausgestellt. Selbst gebundene Bücher liegen in Vitrinen aus.
Nachfragen zu den liebevoll verwendeten Naturmaterialien beantwortet Krauter gerne. Auch zu den Schmiedekursen ist er sehr auskunftsfreudig. Über regionale Vernetzungen mag der jetzige Schmied und frühere Bankkaufmann allerdings weniger sagen. Mitte der 1990er Jahren gehörte er aber zu jenen Rechtsgesinnten die offensichtlich im Geiste der „Artamanen“ sich in der Region von Teterow und Güstrow in der Mecklenburgischen Schweiz ansiedelten.
„Nicht nur er streitet jede rechtspolitische Motivation ab“, sagt Richard Scheerer, vom Freundeskreis ehemaliges jüdisches Gemeindehaus Güstrow. Gern zeigen sich diese „Siedler“, wie der Biobauer Helmut Ernst und der Händler von Öko-Baustoffen Huwald Fröhlich nur als ökologisch bewusste Anwohner. Längst wirken sie auch, ganz ihren Berufungen folgend, in den Bio- und Ökoproduktnetzwerken mit sowie im Widerstand gegen den Anbau von Genmais. Als sich 2004 die Initiative „Gentechnikfreie Region Nebel/Krakow am See“ gründete, waren sie mit dabei. Wie „Rechte“ sehen sie auch nicht aus: Sie tragen Arbeitskluft vermischt mit Ökoklamotten.
„Die hielten sich einfach bedeckt“, sagt Scheerer. Bei der Landtagswahl 2006 verteilte Ernst allerdings ein Interview, das die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ mit ihm geführt hatte. Die Hälfte der Anti-Gentechnik-Initiative, dessen Vorsitzender Ernst war, soll damals mit der NPD sympathisiert haben. Die NPD-Nähe räumt Ernst mittlerweile offen ein. In der DS meint er ganz im Parteijargon, dass durch gentechnisch verändert Saatgut, die „Ernährungssouveränität der Völker schlichtweg gebrochen werden soll; im Sinne der Globalisierer kommt es zur Versklavung der Bauern weltweit“. Im Februar dieses Jahres kam es wegen Ernst in der Initiative zum Eklat. Verschiedene Parteien sagten bei einer Podiumsdiskussion der Initiative ab. Der Vorsitz ging verloren.
Helmut Ernst hat sich in Koppelow niedergelassen. Die Siedlung hat eine braune Geschichte: 1933 hatte der rechtsextreme Verein „Artamanensiedlung Koppelow e.V“ das dortige Gut gekauft. Die Artamanen waren eine völkische Siedlungsbewegung, die „ohne die Inanspruchnahme fremder Mittel“ den Lebenserhalt sicherstellen wollten und sogleich „die geistige, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Übernehmen“ wollten (siehe Kasten). Gemeinsam bauten sie 27 Neubauernhöfe auf. Noch Heute leben einige Nachfahren in der Ansiedlung.
„Man redet dort nicht viel über die Vergangenheit“, sagt Scheerer. Die „familiären Bindungen“ verdeckten oft die geschichtliche Auseinandersetzung, betont der Soziologe. So sei auch ausgeblendet, dass jene Artamanen in der Nacht des 9. Novembers 1939 in Güstrow die Synagoge mit niederbrannten.
Gleich neben Ernst wohnt die Familie Fröhlich. Ernst und die Fröhlichs kommen aus der rechtslastigen Bündischen Jugend und waren die ersten Siedler. Den Fröhlichs gehört ein weitläufigeres Anwesen, dessen Gebäude sie selbst bauten. „Wir sind keine Artamanen“, wehrt Frau Fröhlich ab und sagt: „Wir leben einfach so, wie wir es für richtig halten.“ Von einem Siedlungsprojekt könne auch gar nicht gesprochen werden. Vor wenigen Jahren erzählten Fröhlichs und Kunstschmied Jan Krauter in der neu-rechten Zeitung Junge Freiheit noch etwas anderes: Damals wollten sie gar eine Schule gründen.
Bewusst seien sie „ausgestiegen“, mit dem Ziel, möglichst viel von dem, was sie zum Leben bräuchten, selbst herzustellen. Neue Mitstreiter würden sie suchen, hoben nsie hervor, denn, so Krauter: „Um wirklich etwas bewegen zu können, ist eine bestimmte Masse notwendig.“ Vor allem der vom Sozialismus ideell und materiell ausgelaugten Region wollten sie neue Impulse geben. In der Jungen Freiheit hatten sie vor dem langen Bericht eine Annonce geschaltet, um Menschen mit Pioniergeist zu gewinnen. Zehn Interessierte sollen sich gemeldet haben. Von weiteren Ansiedlungen weiß auch Scheerer.
Den theoretischen Kontext ihres Siedlungsgedankens offenbart Huwald Fröhlich in dem Sammelband „Opposition für Deutschland“, herausgegeben von dem heutigen NPD-Funktionär Andreas Molau: Die Bibel würde ein „orientalisches Naturerleben“ wiedergeben, schreibt Fröhlich, „für uns Deutsche“ seien aber die „nordischen Überlieferungen eine wichtige Quelle zum Verständnis des Verhältnisses unserer Ahnen zu ihrer Umwelt“. Christentum und Humanismus seien „ihrem Wesen nach widernatürlich“.
Gleichberechtigung von Mann und Frau scheint in diesen Kreisen auch wider die Natur zu sein: Das zumindest berichtet eine Aussteigerin. Frauen dürften erst mit Männern reden, wenn diese sie ansprechen. Und nur leise tuscheln dürften die Frauen, wenn Männer im Raum seien.
Über ihre gemeinsamen Aktivitäten sprechen die Siedler, die andere Anwohner nur „Neuartamanen“ nennen, wenig. Man trifft sich, singt gemeinsam und hilft sich, heißt es knapp. In der Region werden die Siedler langsam von einigen Anwohnern skeptisch betrachtet. Dass sich die Artamanen gerne als erste Ökobauern darstellen, beruhigt nicht mehr. Pachten sollen nicht verlängert werden. Eine Informationsveranstaltung wird geplant, sagt Scheerer. Und Krauter droht zu klagen, falls er als „Rechtsextremer“ bei der Veranstaltung bezeichnet würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen