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„Damals wurde mehr vorausgeahnt“

Als 15-Jähriger übernahm der Hamburger Thomas Metelmann die Agentur seines Vaters Otto, der in der Nachkriegszeit als Sportfotograf gearbeitet hatte. Nun veröffentlicht er seine und die Bilder seines Vaters in einer dreiteiligen „Bildgeschichte des Deutschen Fußballs“. Ein Gespräch

THOMAS METELMANN, 52, nahm als freier Bildjournalist an acht Fußballweltmeisterschaften und sechzehn Olympischen Spielen teil.

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Metelmann, eine „Bildgeschichte des Deutschen Fußballs“ seit 1947 stellt man sich ziemlich umfangreich vor. Reichen da drei Bände von zwei Fotografen?

Thomas Metelmann: Es geht nicht darum, dass wir den Zeitraum komplett abdecken wollten. Sondern es geht um ein Gesamtwerk, das dokumentieren möchte, wie sich die Auffassungsgabe der Fotografen, die Technik und die Umstände verändert haben. Und das mit Fotos aus den zwei Händen von zwei Generationen: Mein Vater ist leider sehr früh verstorben und 1970 habe ich seine Agentur mit 15 Jahren übernommen. Die Bücher mache ich nun zusammen mit dem Sporthistoriker Hans Vinke. Der ist Fußballverrückter und weiß, welche Spieler auf den Fotos zu sehen sind. Er schreibt die Texte zu den Bildern.

Der erste Band ist nun erschienen, er behandelt die Deutschen Meisterschaften von 1947 bis 1963 und enthält 160 Fotos Ihres Vaters Otto. Was ist das Besondere an dieser Periode der Fußball-Fotografie?

Die Zuschauer waren nah dran, daraus ergab sich eine ganz andere Situation. Und die Sportler hatten einen ganz anderen Kontakt zum Publikum. Diese Nähe gibt es heute nicht mehr.

Auch nicht für die Fotografen?

Bei einem Spiel früher waren vielleicht fünf, sechs professionelle Fotografen. Heute sind bei den Top-Bundesligaspielen schnell hundert Fotografen. Also sind die Möglichkeiten beschränkt worden: Man kann sich aufgrund der vielen Regelungen nicht mehr überall aufhalten. Man ist distanziert durch Banden. Die sind mitunter so hoch, dass man dahinter stehen muss.

Was bedeutet das für die Bildinhalte?

Dadurch verändern sich die Perspektiven. Früher hat man bewusst meist tief am Spielfeld gesessen, um die Personen von unten aufzunehmen. Heute nimmt man die Personen fast automatisch von oben auf. Und weil man viel weiter weg ist, muss man mit anderen Techniken operieren und die schaffen wieder einen anderen Winkel. Dadurch verlieren Sie die Möglichkeit, das Ganze zu sehen.

Inwiefern hat sich die Auffassungsgabe der Fotografen verändert?

Die Fotografen hatten früher mehr Zeit, das sieht man an den Fotos. Man hat sich gefragt: Welche Fotos bieten sich an? Es gibt zum Beispiel dieses Foto, auf dem die Mannschaft im Schnee auf den Platz läuft und nur die Schatten zu sehen sind. Das ist ein Foto, das muss man vorher schon sehen, bevor man es fotografiert. Heute geht es um Schnelligkeit: Bei den Olympischen Spielen habe ich Kollegen gesehen, die haben einen Rucksack, aus dem eine Antenne ragt. Da wird das Bild gar nicht mehr auf dem Chip der Digitalkamera gespeichert, sondern gleich in die Redaktion gefunkt. Es gibt heute in der aktuellen Tagesfotografie nur wenig wirklich fotografierte Fotos. Bei den meisten geht es nur um die Mitnahme des Moments.

Aber auch unter den Fotos Ihres Vaters finden sich etliche Bilder, die von Action-Momenten leben.

Ja, aber dieser Moment wurde vorher im Kopf fokussiert. Es gibt von meinem Vater das berühmte Uwe-Seeler-Foto, wo Seeler sich mit der Hand abstützt zum Scherenschlag. Da konnte man nicht abdrücken in dem Moment, in dem man diese Situation sah. Sondern man wusste wissen: Es kann jetzt dazu kommen, und dann muss ich versuchen, das einzufangen. Damals wurde mehr vorausgeahnt.

Zwangsläufig – weil die Technik nichts anderes zuließ.

Sicher, wenn man früher Fotos schnell hintereinander auslösen wollte, dann war das schwierig. Man musste beim Aufziehen der Kamera das Objektiv vom Auge wegnehmen. Heute wird einfach nur draufgedrückt, und irgendwas ist dann schon dabei. Früher hat man eher versucht, Atmosphäre miteinzufangen.

Was macht den Stil ihres Vaters aus?

Mein Vater hat – und da versuche ich ihm nachzueifern – Spaß an der Arbeit gehabt und versucht, diesen Spaß zu transportieren. Es gibt da zum Beispiel das Foto mit dem Torhüter, der nach dem Ball hechtet und im Flug schon sieht, unter ihm ist eine riesige Pfütze: Das ist ein typischer Metelmann. Da hat er darauf gewartet. Wenn ich mich aber nur mit dem Ball beschäftige, dann lasse ich diese Möglichkeit natürlich aus. Heute ist es so, dass ein außergewöhnliches Foto vom Markt gar nicht mehr angenommen wird. Weil sich auch die Geschmacksmomente in den Redaktionen verändert haben.

Inwiefern?

Viele Zeitungen bilden einfach nur Sachstände ab: Da ist ein Tor gefallen und davon will man ein Dokument haben. Der interessierte Leser aber hat diese Situation schon aus drei Perspektiven im Fernsehen gesehen. Ich glaube, da sind viele Redaktionen der Zeit schon wieder hinterher: Meiner Meinung nach muss ich als Redaktion versuchen, ein Feature-Foto abzubilden, das die Situation darstellt.

Wie geht es im nächsten Band Ihrer Trilogie weiter?

Der heißt „Deutscher Fußball international von 1947 bis heute“. Da verzahnen sich dann meine Fotos mit denen meines Vaters. Wenn man das Buch durchblättert, sieht man viel mehr auch eine Entwicklung: Da fangen dann die ersten Farbfotos an. Zum Beispiel.

Thomas Metelmann/Hans Vinke: Bildgeschichte des deutschen Fußballs. Band I: Die Deutsche Fußballmeisterschaft 1947 bis 1963. Agon Sportverlag 2007, 168 Seiten, 25 Euro

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