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Polizeistrategie vom grünen Tisch

Sicherheitsoffensive für St. Pauli? Bei Polizeigewerkschaften und im Apparat sorgen die Vorgaben aus der Hamburger Innenbehörde für Skepsis. Polizeipräsenz ist nicht durchhaltbar und würde deeskalierende Wirkung auch verfehlen

Bei denen, die sie umsetzen sollen, findet die Sicherheitsoffensive von Innensenator Udo Nagel (parteilos) für den Hamburger Kiez wenig Zustimmung. Von „Show und Aktionismus im Vorwahlkampf“ spricht ein Polizeiführer zur taz. Da werde viel Aufwand betrieben, „um das schöne subjektive Sicherheitsgefühl zu befriedigen“, dabei stünden Wirkung und Erfolge in Frage. „Wenn Einsatzkräfte faktisch an jeder Straßenecke rund um den Kiez Kontrollpunkte errichten sollen, um Trunkenbolde aufzuspüren“, sagt er, bringe das eher Unruhe und Aggressivität als mehr Sicherheit. Das provoziere geradezu „Macho-Kids dazu, mit der Polizei Räuber und Gendarm zu spielen.“ Und wer wirklich auf die Amüsiermeile gelangen wolle, komme auch hin.

Das räumt auch Ralf Meyer ein. Betrunkene aus St. Pauli gänzlich zu verbannen, sei eine Utopie, sagt der Sprecher der Polizei Hamburg. Man werde vor allem an den U- und S-Bahnhöfen „spürbare Präsenz zeigen“, sagt er. Es sei jedoch nicht zu verhindern, dass jemand zu Fuß komme. Aber: „Wer betrunken ist und sich benimmt, braucht nichts zu fürchten“, sagt Meyer. „Wer randaliert, bekommt einen Platzverweis und muss ein Bußgeld fürchten.“

Für den Hamburger Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), André Bunkowsky, sind viele Vorgaben fragwürdig. So sei das Waffenverbot nach dem neuerdings Waffengesetz zwar möglich, aber nur durchsetzbar, wenn „massiv Polizei auf der Straße ist“. Das wäre eine unheimliche Belastung für seine Kollegen, zudem müsste in anderen wichtigen Bereichen Personal abgezogen werden. „Das ist auf Dauer nicht durchzuhalten – keine Chance“, so Bunkowsky.

Auch für das so genannte Alkoholverbot sieht Bunkowsky kaum eine Chance. „Das ist noch alles so unklar, mit den ganzen Maßnahmen und Ausnahme-Regelungen.“ Und wie sei zu erkennen, ob jemand betrunken den Kiez aufsucht oder nur eine Kneipe weiter zieht? Wenn in dem Bereich Maßnahmen greifen sollten, gehe das nur in einer Art „konzertierter Aktion“, so Bunkowsky, das dürfe „nicht allein auf dem Rücken der Polizei ausgetragen werden“.

Auch der Chef der konkurrierenden Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, ist skeptisch. „Das klingt ein bisschen abenteuerlich für einen Praktiker wie mich.“ Die Durchsetzung eines öffentlichen Alkoholverbots erfordere „einen enormen Personalbedarf“, sagt Lenders. Bereits jetzt seien in den Wochenendnächten 120 bis 130 Beamte auf dem Kiez im Einsatz. Eine wirkungsvolle Kontrolle des Alkoholverbots durch Mitarbeiter der Bezirklichen Ordnungsdienste (BOD) hält Lenders für unrealistisch: „Solche Maßnahmen durchzusetzen würde bedeuten, dass fünf Meter hinter den BOD-Mitarbeitern ein Zug der Bereitschaftspolizei stehen müsste.“

Nach den Senatsplänen soll der öffentliche Verzehr von Alkohol verboten werden, Kioske und Läden sollen ab 2008 freiwillig Donnerstags bis Sonntags ab 23 Uhr auf den Verkauf von Alkohol verzichten. Glasflaschen sollen ganz verschwinden. Greifen die Vorgaben nicht, wollen die Behörden ein Alkoholverbot für den Kiez verfügen.KAI VON APPEN

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