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Probe aufs Versprechen

KUNST Das Atelierhaus Prenzlauer Promenade bietet etwas, was in Berlin dringend benötigt wird: günstigen Arbeitsraum für Künstler. Ob das so bleibt, ist ungewiss. Heute tagt das Abgeordnetenhaus zum Thema

VON RONALD BERG

Berlin-Pankow, Prenzlauer Promenade 149–152. Hinter der Adresse verbirgt sich ein ehemaliges Bürohaus der Akademie der Wissenschaften der DDR. Der lange, L-förmige Gebäuderiegel wirkt etwas abgerissen und aus der Zeit gefallen. Wer hätte gedacht, dass dieses Überbleibsel sozialistischer Forschung sich ein Vierteljahrhundert nach Ende der DDR zu einem Politikum mausern würde?

Heute gehört das Haus nämlich dem Land Berlin. Und der Senat hat vor, hier ein Exempel zu statuieren. Wie sagte es doch der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller in seiner Regierungserklärung im Januar: „Gerade auch wegen der freien kreativen Szene kann sich Berlin heute mit Weltstädten wie Paris, London oder New York messen.“ Das ist ein großes Kompliment an die vielen Künstler und Kreativen in der Stadt. „Aber“, so Müller weiter, „der Veränderungsdruck hat auch die Künstlerinnen und Künstler erreicht. Um Kulturräume zu erhalten, werden Stadtentwicklungs- und Kulturpolitik Hand in Hand arbeiten und Arbeitsräume und -orte für Künstlerinnen und Künstler auch in der Innenstadt sichern.“

Das alte Akademiegebäude an der Prenzlauer Promenade wird die Probe auf dieses Versprechen werden. Denn in dem größtenteils leerstehenden Betonskelettbau befinden sich derzeit rund 65 Künstlerateliers. Die mit befristeten Mietverträgen geduldeten Künstler und ein paar Kleingewerbetreibende finden für ihre Verhältnisse geradezu ideale Bedingungen vor: vor allem billige Mieten von unter 7 Euro pro Quadratmeter warm. Für die meisten Künstler seien ihre Ateliers mit 260 bis 270 Euro im Monat schon an der Grenze des Machbaren, sagt Malte Hagen Olbertz. Er ist einer der hier im Atelierhaus ansässigen Künstler.

Zwar sieht es inzwischen nicht mehr danach aus, dass das Haus meistbietend an einen privaten Investor verkauft werden soll, wie es während der Ägide von Finanzsenator Nussbaum die Regel gewesen wäre. Doch trotz politischer Absichtserklärungen vom Land wie vom Bezirk ist die Gefahr noch nicht aus der Welt, dass die Künstler ihre Ateliers in Zukunft verlieren könnten. Und schuld daran wäre wieder mal das Geld.

Was ist geplant? Das Land Berlin will das 20.000 Quadratmeter große Grundstück an die landeseigene Berlinovo veräußern. Berlinovo bezeichnet sich selbst als „Immobiliendienstleister“ und kümmert sich vor allem um die Altlasten der Immobiliengeschäfte der ehemaligen Berliner Bankgesellschaft – damals bekannt geworden unter dem Namen Berliner Bankenskandal. Inzwischen werden aber nicht nur die eigenen Immobilien (vor allem außerhalb Berlins) verkauft, um Schulden abzubauen, sondern auch Stadtentwicklungsaufgaben übernommen. So soll die Berlinovo auf Wunsch von Michael Müller in den nächsten Jahren 2.500 Studentenapartments errichten.

300 sollen in zwei neuen Gebäuderiegeln im rückwärtigen Garten des Atelierhauses Prenzlauer Promenade entstehen. Daneben ist ist auch noch eine Kita geplant. Der Büroaltbau zur Straße würde erhalten bleiben. Allerdings müssten wohl ein paar Ertüchtigungen an dem Gebäude vorgenommen werden. Und genau das ist die Crux. Denn jede Investition in die Gebäudesubstanz würde am Ende die Miete für die Ateliers verteuern. Eine Expertise des Berliner Berufsverbands Bildender Künstler (BBK) zufolge wäre der nicht wärmegedämmte Bau (mit Ausnahme des abgewinkelten Nordflügels) mit geringem Sanierungsaufwand für eine weitere Nutzung bei marktüblichen Heizkosten für die Ateliernutzung zu gebrauchen. Doch da gibt es noch den gesetzlichen Brandschutz.

Hier will der zuständige Bezirk Pankow „keine Abstriche machen“, wie Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) feststellt. Zwar müht sich die Berlinovo, die Herrichtung des Altbaus so billig wie nur möglich zu projektieren, um dem Anliegen des Kultursenats, des Bezirks und natürlich auch der ansässigen Künstler zu genügen und die Atelierräume erschwinglich zu halten. Aber das Wunschergebnis bei der Kalkulation sei eine „Herausforderung“, so Kirchner. „Die rechnen nicht umsonst so lange“, meint der Stadtbaurat.

Und so könnte es kommen, dass das „Modell Prenzlauer Promenade“, mit dem die Senatsverwaltungen von Kultur, Stadtentwicklung und Bildung zu einem gemeinsamen politischen Willen zusammengefunden haben, doch scheitern könnte, einfach weil die Künstler ihre neuen Ateliermieten nicht mehr werden zahlen können. Für diesen Fall wollen die Künstler ihre eigene Rechnung aufmachen. Gerade haben sie sich als Verein organisiert und mit einer Kunstauktion Geld für etwaige selbst beauftragte Expertisen eingespielt.

Jedenfalls wird die Berlinovo auch als landeseigenes Unternehmen – und auch weil bei der GmbH immer noch ein Rest private Kapitaleinlagen mit im Spiel sind – nicht gegen kapitalistische Spielregeln verstoßen können. Und die heißen: „Am Ende muss bei der Kalkulation für uns eine schwarze Null herauskommen“, formuliert es zeitgemäß der Pressesprecher der Berlinovo, Stefan Siebner.

Die Prenzlauer Promenade wird also zum Modellfall, ob und wie man unter Marktbedingungen das Versprechen Michael Müllers, „Arbeitsräume für Künstler zu sichern“, überhaupt verwirklichen kann. Die Zeiten, da man sich in dem Überbleibseln der untergegangenen DDR billig einrichten konnte, scheinen nämlich inzwischen vorbei. Ob da das Bürohaus der ehemaligen Ostakademie eine Ausnahme sein wird, wird sich wohl spätestens bis zum Sommer herausstellen. Dann soll die längst überfällige Kalkulation der Berlinovo fertig sein.

Für den Fall, dass die Mieten für die Künstler unerschwinglich ausfallen, gibt es laut Stadtbaurat Jens-Holger Kirchner keinen Plan B.

Vielleicht könnte man sich also jetzt schon Alternativen überlegen, falls man die Prenzlauer Promenade wirklich als Atelierhaus sichern will. Schließlich möchten sich Michael Müller und sein Adlatus, Kulturstaatssekretär Tim Renner, bei dem Thema nicht gerne blamieren.

Von 850 Euro leben

Die Lage für die Künstler in der Stadt wird prekärer: Derzeit können nur ein winziger Bruchteil der gut 10.000 in Berlin lebenden Künstler von ihrer Kunst leben. Der Durchschnittsverdienst der Künstler beläuft sich auf 850 Euro im Monat. Bezahlbare Ateliers werden immer seltener. Beim BBK, der die öffentlich geförderten Ateliers verwaltet, sind 7.006 Künstler als „ateliersuchend“ gemeldet.

Und die Lage spitzt sich weiter zu. „Für das Jahr 2014“, so schätzt der BBK, „wird von einem Rekordverlust von insgesamt 350 bezahlbaren Ateliers auf dem freien Markt ausgegangen.“ Die Zahlen stammen aus einer gerade veröffentlichten „Vorüberlegung zu einem Masterplan „ART STUDIOS 2020“ des Atelierbeauftragten des BBK, Florian Schmidt. In dem Papier wird eine politische Strategie zur Schaffung von 2.000 neuen bezahlbaren Ateliers bis zum Jahr 2020 aufgezeigt.

Sollen die Beteuerungen der Politik zum Erhalt von Räumen für die Kunst also nicht bloße Lippenbekenntnisse bleiben, dann muss dringend etwas geschehen. Das vermeintliche Modell Prenzlauer Promenade wäre da nur ein Beispiel.

■ Am 27. März um 10 Uhr findet der 12. Runde Tisch zur Neuausrichtung der Berliner Liegenschaftspolitik im Abgeordnetenhaus (Raum 376) statt. Das Thema lautet „Räume für die Kunst. Am Beispiel des Masterplans ART STUDIOS 2020“. Die Veranstaltung ist öffentlich.

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