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Scharping steuert ins Grüne

■ SPD-Fraktionschef hält Regierung mit Grünen für „realistische Perspektive“. Gysi erinnert an die PDS

Bonn (dpa/taz) – Rudolf Scharping wagt sich vor: Als erster führender Sozialdemokrat signalisierte der Chef der SPD- Bundestagsfraktion den Willen, gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung zu bilden. Er mache zwar noch keine Koalitionsaussage, erklärte Scharping gestern vor der Presse in Bonn. „Aber es ist das, was ich für ein angemessenes und durchsetzbares Ziel halte. Es ist eine realistische Perspektive.“ Er verwies darauf, daß es in zahlreichen Grundfragen der Politik Übereinstimmungen zwischen SPD und Grünen gebe. Eine „schöne Überraschung“ sei es, daß die Grünen sich inzwischen auch in der Steuerpolitik den Vorstellungen der Sozialdemokraten angenähert hätten. Für seine Position erhielt er auf einer Klausurtagung ausdrücklich die Zustimmung der SPD-Abgeordneten.

Parteichef Oskar Lafontaine hat bisher auf eine klare Aussage zugunsten Rot- Grün verzichtet. Lafontaine, der nach seiner Wahl zum Parteichef darauf hingewiesen hatte, daß es in Deutschland eine linke Mehrheit gebe, hat Rot-Grün bislang immer nur als eine von mehreren Optionen für 1998 gesehen. Diese müsse erst noch mit Inhalt gefüllt werden. Personen- oder Parteienkonstellationen, so sagte er vor einiger Zeit in einem taz-Interview, stünden dabei nicht im Vordergrund.

Auch die Fraktionssprecher der Bündnisgrünen, Joschka Fischer und Kerstin Müller, bekräftigten gestern das Ziel, 1998 Bundeskanzler Helmut Kohl mit einer rot- grünen Koalition abzulösen. Als gemeinsame steuerpolitische Forderungen nannten Scharping sowie Fischer und Müller auf ihren getrennten Pressekonferenzen die Schaffung eines gerechteren Steuersystems sowie eine stärkere Belastung großer Vermögen. „Die von dieser Regierung geschaffene dramatische Schieflage zu Lasten der Arbeitnehmer und der Mittelschichten muß korrigiert werden“, sagte Scharping. Mit ganz ähnlichen Worten forderte auch Fischer eine Entlastung der unteren und mittleren Einkommen und eine Umverteilung zu Lasten der Reichen.

Die SPD-Fraktion schloß sich dem Steuerkonzept der Parteispitze an, das Entlastungen in Höhe von 50 Milliarden Mark vor allem zugunsten von Normalverdienern vorsieht. Ähnlich wie die Grünen vermieden es die Sozialdemokraten, sich bereits auf konkrete Schritte zum Abbau von Steuersubventionen festzulegen, mit denen die Reform finanziert werden soll. Beide Oppositionsparteien betonten, daß mit einer ökologischen Steuerreform unverzüglich begonnen werden soll.

Der Vorsitzende der PDS-Gruppe im Bundestag, Gregor Gysi, wirft in einem Beitrag für die taz der SPD und den Grünen dagegen vor, auf notwendige gesellschaftliche Veränderungen zu verzichten. „Nicht die Thematisierung einer Reformalternative von SPD, Grünen und PDS sichert den Konservativen den Fortbestand ihrer Macht über die Jahrtausendwende hinaus“, so Gysi, „sondern die gedankenlose Zurückweisung dieser Debatte.“ Wenn Joschka Fischer im Spiegel sage, ihm sei eine Zusammenarbeit mit der PDS „nicht zumutbar“, dann müsse gefragt werden, seit wann die Befindlichkeiten grüner Politiker ausschlaggebend sein dürfen, die Regierung so zu lassen, wie sie ist. Bericht Seite 4 / Debatte Seite 12

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