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Die Hoffnung auf einen Kater vor dem Rausch

Noch immer hält der Senat am Hochhausplan für den Alex fest. Doch die Realität sieht ganz anders aus  ■ Von Uwe Rada

Am Schluß ging es zur Sache. Ob die Stadt angesichts der geplatzten Metropolenträume ein Manhattan simulieren muß, fragte der Architektursoziologe Werner Sewing. Manhattan-Fan Hans Kollhoff polterte dagegen: Berlin müsse endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und seine resignative Haltung aufgeben.

Drei Jahre nach der Entscheidung des städtebaulichen Wettbewerbs erregt das geplante Hochhausgewitter am Alexanderplatz noch immer die Gemüter. Sosehr sich aber Anwohner und Bürgerinitiativen über den Siegerentwurf von Hans Kollhoff mit seinen zwölf 150 Meter hohen Türmen und einer Bruttogeschoßfläche von fast einer Million Quadratmetern mokieren, so stiernackig halten Senat, Investoren und Architekt am Höhenflug fest. „Der Alexanderplatz“, sagte Kollhoff auf einer Diskussionsrunde des „Stadtforums von unten“ am Montag abend betont zweckoptimistisch, „ist ein Symbol für die Zukunft Berlins.“

Zuvor hatte der Architekt allerdings die Sollbruchstelle für das Projekt formuliert. „Was hier entwickelt wird“, so Kollhoff, „wird mit Investoren entwickelt werden, oder es wird nicht entwickelt werden.“ Investorenvertreter Bodo Fuhrmann aber zeigte sich zurückhaltend. Zwar betonte er, es sei der erklärte Wille der Investoren, zu bauen. Aber wann die steinernen Massen in die Höhe gebaut werden, ließ er offen. Das, so Fuhrmann, sei abhängig vom Bebauungsplanverfahren.

Doch schon jetzt hat das Debakel auf dem Büroflächenmarkt die hochfliegenden Pläne auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wird am Alex gebaut, dann betont zurückhaltend, und von den Kollhoff-Türmen ist keine Rede. Beispiel Kaufhof: Zwar soll zum Ende diesen Jahres oder 1997 mit einem Erweiterungsbau des Kaufhauses in Richtung Brunnen der Völkerfreundschaft begonnen werden. Von einem Hochhaus spricht derzeit keiner. Gleiches gilt für das Hotel Stadt Berlin. Statt die markante Scheibe samt Unterbau abzureißen und Platz für vier Kollhoff-Blöcke samt Turmbau zu schaffen, hat die Interhotel AG das Hotel zunächst saniert.

Auch der Berliner Verlag ließ sein Gebäude erst vor kurzem modisch aufpeppen. Andere Investoren wie die Euwo-Gruppe sind mittlerweile pleite oder – wie die A.A.A./B.Katz – ein Fall für die Staatsanwaltschaft geworden. Kollhoff bleibt deshalb gar nichts anderes übrig, als sich in Weitsicht zu üben: „Der Alexanderplatz wird wohl erst in 20 oder 30 Jahren fertiggestellt werden“.

Im krassen Gegensatz dazu steht freilich das Bemühen des Senats, den Sack über dem Kollhoff- Plan zuzumachen. Schon Ende dieses Jahres will die Bauverwaltung erste Ergebnisse des Bebauungsplanentwurfs (B-Plan) vorstellen. Mitte 1997 soll der B-Plan- Entwurf dann in die vorgezogene Bürgerbeteiligung gehen. Die Opposition im Abgeordnetenhaus ist bereits alarmiert. So fordert etwa die PDS-Fraktion „eine Revision der laufenden Planungen“, um „bestehende städtebauliche und funktionale Mängel“ zu überwinden. Nicht so sehr das städtebauliche Modell sei ein Akt der Tabula rasa, meinte PDS-Fraktionsvorsitzender Harald Wolf, „sondern die massive Nutzung, der das Städtebauliche untergeordnet wird“. Damit, so Wolf, sei der Alexanderplatz kein Platz des Ostens mehr.

Ein Tor zum Osten freilich, wie es dem Architekturkritiker Wolfgang Kil bereits 1992 vorschwebte, stand für Senat und Investoren von vorneherein nicht zur Debatte. Statt die Offenheit der Innenstadt nach Osten zu signalisieren, bedeutet der Kollhoff-Plan das schiere Gegenteil: Schotten dicht für die jetzigen Nutzer.

In diesem Sinne steht der neue Alexanderplatz ganz in der Tradition der Weimarer Umbaupläne. Der damalige Stadtbaurat Martin Wagner hatte schon nach dem städtebaulichen Wettbewerb 1929 erklärt: „Die Wohnviertel der Armen und Ärmsten mit ihrer dezimierten Kaufkraft hemmen die Entwicklung der City.“ Was Wagner im Sinne hatte – die Aufwertung des Ostens, um der Westwanderung der City in Richtung Ku'damm entgegenzuwirken –, steht leitmotivisch auch für die Nachwendeplanung des Alexanderplatzes. Doch spätestens die funktionale Ödnis an der Friedrichstraße hätte Politiker und Investoren eines Besseren belehren müssen. Eigentlich. Für den Stadtplaner Harald Bodenschatz, der den Kollhoff-Entwurf einmal als Akt der „Okkupation“ bezeichnete, bleibt deshalb nur die Hoffnung „auf einen Kater vor dem Rausch“.

Doch Einsicht in soziale und demokratische Selbstverständlichkeiten ist die Stärke des Dreigestirns Senat, Investoren, Kollhoff nicht. Die Hochhäuser zu Fall zu bringen, noch bevor sie gebaut werden, wird deshalb weniger das Verdienst eines „Planungsbeirats“ sein, wie ihn die Bürgerinitiative Alexanderplatz fordert, sondern der nackten ökonomischen Tatsachen. Hier zumindest ist der PDS- Fraktionschef Wolf optimistisch: „Wenn der Bebauungsplan erst einmal die Nutzungsdichte festgelegt hat, werden die Bodenpreise so steigen, daß sich eine Investition erst recht nicht lohnt“, hofft er. Die Chance, das Kind zu retten, bevor es in den Brunnen gefallen ist, ist damit freilich auch vertan.

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