: Ekstase wegen Ecstasy
■ Staatsanwalt beschlagnahmt Unterlagen von Uniklinik Charité
Berlin (taz) – Die Berliner Staatsanwaltschaft hat letzte Woche das Institut für Gerichtsmedizin am Universitätsklinikum der Charité untersucht und sämtliche Meßkurven und Protokolle zur Analyse der Techno-Droge Ecstasy beschlagnahmt. Ein einmaliger Vorgang. Nachdem sich die Mediziner weigerten, das Material herauszugeben, setzte die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme mit der Begründung „Gefahr im Verzug“ durch.
Über die Durchsuchungsaktion berichteten gestern die Drogenaufklärer von „Eve and Rave“. Die Organisation arbeitet seit einem Jahr mit den Gerichtsmedizinern der Charité zusammen. Seitdem Gerüchte über angeblich toxisch verunreinigte Ecstasy-Tabletten kursierten, läßt sie regelmäßig die auf dem Markt angebotenen Tabletten chemisch analysieren, veröffentlicht die Befunde und warnt in einem Newsletter vor hoch dosierten oder verunreinigten Pillen. Die Aktivitäten sind der Berliner Staatsanwaltschaft seit langem suspekt. Sie wirft Eve and Rave vor, die Gefahren der Techno-Pille zu verharmlosen. Zudem: Um die Pillen zu analysieren, muß man sie besitzen, was verboten ist.
Jürgen Kunkel von Eve and Rave sieht im „Drug-Checking“ einen wichtigen Beitrag, um überhaupt Kontakte zur Ecstasy-Szene herzustellen. Die alte, opiatfixierte Drogenhilfe habe kaum Berührungspunkte zu den Konsumenten, sagte Kunkel der taz. Die Aktion der Staatsanwaltschaft sei ein Rechtsbruch und verstoße gegen das Beschlagnahmeverbot in Krankenhäusern, erklärte er. Die Argumentation „Gefahr im Verzug“ sei an den Haaren herbeigezogen. Die Gerichtsmediziner seien von der Staatsanwaltschaft explizit aufgefordert worden, ihre Zusammenarbeit mit Eve and Rave einzustellen. Prof. Fritz Pragst, Leiter des Instituts für gerichtliche Medizin, befürchtet, daß nach der Beschlagnahme auch die übrigen Kontakte des Instituts leiden könnten. Viele Mütter würden regelmäßig Tabletten zur Analytik ins Labor bringen, weil sie sich um ihre Kinder Sorgen machen. Hier könne ein Vertrauensverhältnis gestört werden, wenn befürchtet werden müsse, daß Unterlagen bei der Polizei landen. Hans Will
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